Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 271)
vernünftigen Seelen begabt, welche aber samt den Leibern dahinsterben und vergehen; Gott ist zwar so wunderbar in seinen Werken, daß sie keine Kreatur auszusprechen vermag, doch will ich dir, soviel unsere Art anbelangt, simpliciter erzählen, daß du daraus fassen kannst, wieweit wir von den andern Kreaturen Gottes zu unterscheiden seien: Die heilige Engel sind Geister, zum Ebenbild Gottes gerecht, verständig, frei, keusch, hell, schön, klar, geschwind und unsterblich, zu dem Ende erschaffen, daß sie in ewiger Freude Gott loben, rühmen, ehren und preisen, in dieser Zeitlichkeit aber der Kirche Gottes hier auf Erden auf den Dienst warten, und die allerheiligste göttliche Befelch verrichten sollen, deswegen sie dann auch zuzeiten Nuncii genannt werden, und ihrer seind auf einmal so viel hunderttausend mal tausend Millionen erschaffen worden, als der göttlichen Weisheit wohlgefällig gewesen; nachdem aber aus ihrer großen Anzahl unaussprechlich viel, die sich ihres hohen Adels überhoben, aus Hoffart gefallen, seind erst eure erste Eltern von Gott mit einer vernünftigen und unsterblichen Seel zu seinem Ebenbild erschaffen, und deswegen mit Leibern begabt worden, daß sie sich aus sich selbsten vermehren sollten, bis ihr Geschlecht die Zahl der gefallenen Engel wiederum erfüllte; zu solchem End nun wurde die Welt erschaffen, mit allen andern Kreaturen, daß der irdische Mensch, bis sich sein Geschlecht so weit vermehret, die angeregte Zahl der gefallenen Engel damit ersetzt werden könnte, darauf wohnen, Gott loben, und sich aller anderer erschaffenen Dinge auf der ganzen Erdkugel (als worüber ihn Gott zum Herrn gemacht) zu Gottes Ehren, und zu seines nahrungbedürftigen Leibs Aufenthaltung bedienen sollte; damals hatte der Mensch diesen Unterscheid zwischen ihm und den heiligen Engeln, daß er mit der irdischen Bürde seines Leibs beladen, und nicht wußte was gut und bös war, und dahero auch nit so stark und geschwind als ein Engel sein konnte; hatte hingegen aber auch nichts gemeines mit den unvernünftigen Tieren; demnach er aber durch den Sündenfall im Paradeis seinen Leib dem Tod unterwarf, schätzten wir ihn das Mittel zu sein zwischen den heiligen Engeln und den unvernünftigen Tieren; denn gleich wie eine heilige entleibte Seel eines zwar irdischen doch himmlisch-gesinnten Menschen alle gute Eigenschaft eines heiligen Engels an sich hat, also ist der entseelte Leib eines irdischen Menschen (der Verwesung nach) gleich einem andern Aas eines unvernünftigen Tiers; uns selbsten aber schätzten wir vor das Mittel zwischen euch und allen andern lebendigen Kreaturen der Welt, sintemal, ob wir gleich wie ihr vernünftige Seele haben, so sterben jedoch dieselbige mit unsern Leibern gleich hinweg, gleichsam als wie die lebhafte Geister der unvernünftigen Tiere in ihrem Tod verschwinden. Zwar ist uns kundbar, daß ihr durch den ewigen Sohn Gottes, durch welchen wir denn auch erschaffen, aufs allerhöchste geadelt worden, indem er euer Geschlecht angenommen, der göttlichen Gerechtigkeit genuggetan, den Zorn Gottes gestillt, und euch die ewige Seligkeit wiederum erworben, welches alles euer Geschlecht dem unserigen weit vorziehet; aber ich rede und verstehe hier nichts von der Ewigkeit, weil wir deren zu genießen nicht fähig sein, sondern allein von dieser Zeitlichkeit, in welcher der allergütigste Schöpfer uns