Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 272)

genugsam beseligt, als mit einer guten gesunden Vernunft, mit Erkantnus des allerheiligsten Willens Gottes, so viel uns vonnöten, mit gesunden Leibern, mit langem Leben, mit der edlen Freiheit, mit genugsamer Wissenschaft, Kunst und Verstand aller natürlichen Dinge; und endlich, so das allermeiste ist, sind wir keiner Sünd, und dannenhero auch keiner Straf, noch dem Zorn Gottes, ja nicht einmal der geringsten Krankheit unterworfen: Welches alles ich dir darum so weitläuftig erzählt, und auch deswegen der H. Engel, irdischen Menschen und unvernünftigen Tier gedacht, damit du mich desto besser verstehen könnest.« Ich antwortet, es wollte mir dennoch nicht in Kopf; da sie keiner Missetat, und also auch keiner Straf unterworfen, worzu sie denn eines Königs bedürftig? item, wie sie sich der Freiheit rühmen könnten, wenn sie einem König unterworfen wären? item, wie sie geboren werden, und wieder sterben könnten, wenn sie gar keinen Schmerzen oder Krankheit zu leiden geartet wären? Darauf antwortet mir das Prinzlein, sie hätten ihren König nicht, daß er Justitiam administrieren, noch daß sie ihm dienen sollten, sondern daß er, wie der König oder Weisel in einem Immenstock, ihre Geschäfte dirigiere; und gleichwie ihre Weiber in coitu keine Wollust empfänden, also seien sie hingegen auch in ihren Geburten keinen Schmerzen unterworfen, welches ich etlichermaßen am Exempel der Katzen abnehmen und glauben könnte, die zwar mit Schmerzen empfahen, aber mit Wollust gebären; so stürben sie auch nicht mit Schmerzen, oder aus hohem gebrechlichem Alter, weniger aus Krankheit, sondern gleichsam als ein Liecht verlesche, wenn es seine Zeit geleuchtet habe, also verschwinden auch ihre Leiber samt den Seelen; gegen der Freiheit, deren er sich gerühmt, sei die Freiheit des allergrößten Monarchen unter uns irdischen Menschen gar nichts, ja nit soviel als ein Schatten zu rechnen, dann sie könnten weder von uns noch andern Kreaturen getötet, noch zu etwas Unbeliebigem genötiget, viel weniger befängnust werden, weil sie Feuer, Wasser, Luft und Erde ohn einige Mühe und Müdigkeit (von deren sie gar nichts wüßten) durchgehen könnten. Darauf sagte ich: »Wenn es mit euch so beschaffen, so ist euer Geschlecht von unserm Schöpfer weit höher geadelt und beseligt, als das unserige.« »Ach nein«, antwort der Fürst, »ihr sündigt, wenn ihr dies glaubt, indem ihr die Güte Gottes einer Sach beschuldiget, die nicht so ist; denn ihr seid weit mehrers beseligt als wir, indem ihr zu der seligen Ewigkeit, und das Angesicht Gottes unaufhörlich anzuschauen erschaffen, in welchem seligen Leben eurer einer der selig wird, in einem einzigen Augenblick mehr Freud und Wonne, als unser ganzes Geschlecht von Anfang der Erschaffung bis an den Jüngsten Tag, geneußt.« Ich sagte: »Was haben drum die Verdammte davon?« Er antwortet mir mit einer Widerfrag, und sagte: »Was kann die Güte Gottes davor, wenn euer einer sein selbst vergisset, sich der Kreaturen der Welt, und deren schändlichen Wollüsten sich ergibt, seinen viehischen Begierden den Ziegel schießen läßt, sich dadurch dem unvernünftigen Viehe, ja durch solchen Ungehorsam gegen Gott mehr den höllischen als seligen Geistern gleichmacht? Solcher Verdammten ewiger Jammer, worein sie sich selbst gestürzt haben, benimmt drum der

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