Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 29)

jetzt für einen Obristen vorstellet. Und gleich wie unter den Bauren manch edel Ingenium verdirbt, weil es aus Mangel der Mittel nicht zu den Studiis angehalten wird: Also veraltet mancher wackerer Soldat unter seiner Musket, der billicher ein Regiment meritierte und dem Feldherrn große Dienste zu leisten wüßte.«

Das 18. Kapitel

Simplicius tut den ersten Sprung in die Welt, mit schlechtem Glück.

Ich mochte dem alten Esel nicht mehr zuhören, sondern gönnete ihm, was er klagte, weil er oft die arme Soldaten prügelte wie die Hund: Ich wendet mich wieder gegen den Bäumen, deren das ganze Land voll stunde, und sahe, wie sie sich bewegten, und zusammenstießen; da prasselten die Kerl haufenweis herunder, Knall und Fall war eins; augenblicklich frisch und tot, in einem Hui verlor einer ein Arm, der ander ein Bein, der dritte den Kopf gar. Als ich so zusahe, bedauchte mich, alle diejenige Bäum, die ich sahe, wären nur ein Baum, auf dessen Gipfel saße der Kriegsgott Mars und bedeckte mit des Baums Ästen ganz Europam; wie ich davorhielte, so hätte dieser Baum die ganze Welt überschatten können, weil er aber durch Neid und Haß, durch Argwohn und Mißgunst, durch Hoffart, Hochmut und Geiz, und andere dergleichen schöne Tugenden, gleichwie von scharfen Nordwinden angewehet würde, schiene er gar dünn und durchsichtig, dahero einer folgende Reimen an den Stamm geschrieben hat:

Die Steineich, durch den Wind getrieben und verletzet,

Ihr eigen Äst abbricht, sich ins Verderben setzet:

Durch innerliche Krieg und brüderlichen Streit

Wird alles umgekehrt, und folget lauter Leid.

Von dem gewaltigen Gerassel dieser schädlichen Wind, und Zerstümmlung des Baums selbsten, ward ich aus dem Schlaf erweckt und sahe mich nur allein in meiner Hütten. Dahero fieng ich wieder an zu gedenken, was ich doch immermehr anfangen sollte? Im Wald zu bleiben war mir unmüglich, weil mir alles so gar hinweggenommen worden, daß ich mich nicht mehr aufhalten konnte; nichts war mehr übrig als noch etliche Bücher, welche hin und her zerstreut, und durcheinander geworfen lagen: Als ich solche mit weinenden Augen wieder auflase, und zugleich Gott inniglich anrufte, er wollte mich doch leiten und führen, wohin ich sollte, da fand ich ohngefähr ein Brieflein, das mein Einsiedel bei seinem Leben noch geschrieben hatte, das lautet also: »Lieber Simplici, wann du dies Brieflein findest, so gehe alsbald aus dem Wald, und errette dich und den Pfarrer aus gegenwärtigen Nöten, denn er hat mir viel Guts getan: Gott, den du allweg vor Augen haben, und fleißig beten sollest, wird dich an ein Ort bringen, das dir am bequemsten ist. Allein habe denselbigen stets vor Augen, und befleißige dich, ihm jederzeit dergestalt zu dienen, als wann du noch in meiner Gegenwart im Wald wärest, bedenke und tue ohne Unterlaß meine letzte Reden, so wirst du bestehen mögen: Vale.«

Ich küßte dies Brieflein und des Einsiedlers Grab zu viel tausend Malen, und machte mich auf den Weg, Menschen zu suchen, bis ich deren finden möchte; gieng also zween Tag einen geraden Weg fort, und wie mich die Nacht begriff, suchte ich einen hohlen Baum zu meiner

Seiten