Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 31)

Strümpfs brauchte, und dieselbe zu solchem Ende herabgetrennet hatte), der ganze Leib aber war mit eisernen Ketten, hinden und vornen fein kreuzweis, wie man Sanctum Wilhelmum zu malen pflegt, umgürtet, so daß es fast eine Gattung abgab, wie mit denen, so vom Türken gefangen, und vor ihre Freunde zu bettlen im Land umziehen; meine Schuh waren aus Holz geschnitten, und die Schuhbändel aus Rinden von Lindenbäumen gewoben, die Füß selbst aber sahen so krebsrot aus, als wann ich ein Paar Strümpf von spanisch Leibfarb angehabt, oder sonst die Haut mit Fernambuk gefärbt hätte: Ich glaube, wenn mich damals ein Gaukler, Marktschreier oder Landfahrer gehabt, und vor einen Samojeden oder Grünländer dargeben, daß er manchen Narren angetroffen, der ein Kreuzer an mir versehen hätte. Ob nun zwar ein jeder Verständiger aus meinem magern und ausgehungerten Anblick und hinlässiger Aufziehung ohnschwer schließen können, daß ich aus keiner Garküchen, oder aus dem Frauenzimmer, weniger von irgendeines großen Herrn Hofhaltung entloffen, so wurde ich jedoch unter der Wacht streng examiniert, und gleichwie sich die Soldaten an mir vergafften, also betrachtet ich hingegen ihres Offiziers dollen Aufzug, dem ich Red und Antwort geben mußte; ich wußte nicht, ob er sie oder er wäre, dann er trug Haar und Bart auf französisch, zu beiden Seiten hatte er lange Zöpf herunderhangen wie Pferdsschwänz, und sein Bart war so elend zugerichtet und verstümpelt, daß zwischen Maul und Nasen nur noch etlich wenig Haar so kurz davonkommen, daß man sie kaum sehen konnte: Nicht weniger setzten mich seine weite Hosen seines Geschlechts halber in nicht geringen Zweifel, als welche mir vielmehr einen Weiberrock, als ein paar Mannshosen vorstelleten. Ich gedachte bei mir selbst, ist dies ein Mann? so sollte er auch einen rechtschaffenen Bart haben, weil der Geck nicht mehr so jung ist, wie er sich stellet. Ists aber ein Weib, warum hat die alte Hur dann so viel Stupfeln ums Maul? Gewißlich ists ein Weib, gedacht ich, dann ein ehrlicher Mann wird seinen Bart wohl nimmermehr so jämmerlich verketzern lassen; maßen die Böcke aus großer Schamhaftigkeit keinen Tritt unter fremde Herden gehen, wenn man ihnen die Bärt stutzet. Und demnach ich also im Zweifel stunde, und nicht wußte, was die jetzige Mode war, hielte ich ihn endlich vor Mann und Weib zugleich.

Dieses männische Weib, oder dieser weibische Mann, wie er mir vorkam, ließe mich überall besuchen, fande aber nichts bei mir, als ein Büchlein von Birkenrinden, darin ich meine tägliche Gebet geschrieben und auch dasjenig Zettelein liegen hatte, das mir mein frommer Einsiedel, wie in vorigem Kapitel gemeldet worden, zum Valete hinderlassen, solches nahm er mir; weil ichs aber ohngern verlieren wollte, fiel ich vor ihm nieder, faßte ihn um beide Knie und sagte: »Ach mein lieber Hermaphrodit, laßt mir doch mein Gebetbüchlein!« »Du Narr«, antwortet er, »wer Teufel hat dir gesagt, daß ich Herman heiße?« Befahl darauf zweien Soldaten, mich zum Gubernator zu führen, welchen er besagtes Buch mitgab, weil der Phantast ohnedas, wie ich gleich merkte, selbst weder lesen noch schreiben konnte.

Also führete man mich in

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