Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 33)
auch der Inhalt selbst gar seltsam und ohnverständlich vor, dann er sagte: »Dies ist ohne Zweifel eine abgeredte Sprach, die sonst niemand verstehet, als derjenig, mit dem sie abgeredt worden.« Mich aber fragte er, wie ich hieße? und als ich antwortet: »Simplicius«, sagte er: »Ja ja, du bist eben des rechten Krauts! fort, fort, daß man ihn alsobald an Hand und Fuß in Eisen schließe«; also wanderten beide obgemeldte Soldaten mit mir nach meiner bestimmten neuen Herberg, nämlich dem Stockhaus zu und überantworteten mich dem Gewaltiger, welcher mich seinem Befehl gemäß, mit eisernen Banden und Ketten an Händen und Füßen, noch ein mehrers zierte, gleichsam als hätte ich nicht genug an deren zu tragen gehabt, die ich bereits um den Leib herumgebunden hatte.
Dieser Anfang mich zu bewillkommen, war der Welt noch nicht genug, sondern es kamen Henker und Steckenknecht, mit grausamen Folterungsinstrumenten welche mir, ohnangesehen ich mich meiner Unschuld zu getrösten hatte, meinen elenden Zustand allererst grausam machten. »Ach Gott!« sagte ich zu mir selber, »wie geschieht mir so recht, Simplicius ist darum aus dem Dienst Gottes in die Welt geloffen, damit ein solche Mißgeburt des Christentums den billichen Lohn empfahe, den ich mit meiner Leichtfertigkeit verdienet habe. O du unglückseliger Simplici! wohin bringt dich deine Undankbarkeit? Siehe, Gott hatte dich kaum zu seiner Erkantnus und in seine Dienst gebracht, so laufst du hingegen aus seinen Diensten, und kehrest ihm den Rucken! Hättest du nicht mehr Eicheln und Bohnen essen können wie zuvor, deinem Schöpfer ohnverhindert zu dienen? Hast du nicht gewußt, daß dein getreuer Einsiedel und Lehrmeister die Welt geflohen, und ihme die Wildnus auserwählt? O blindes Ploch, du hast dieselbe verlassen, in Hoffnung, deinen schändlichen Begierden (die Welt zu sehen) genugzutun. Aber nun schaue, indem du vermeinest, deine Augen zu weiden, mußt du in diesem gefährlichen Irrgarten untergehen und verderben. Hast du unweiser Tropf dir nicht zuvor können einbilden, daß dein seliger Vorgänger der Welt Freude um sein hartes Leben, das er in der Einöde geführt, nicht verdauscht haben würde, wenn er in der Welt den wahren Frieden, eine rechte Ruhe, und die ewige Seligkeit zu erlangen getraut hätte? Du armer Simplici, jetzt fahr hin, und empfahe den Lohn deiner gehabten eitelen Gedanken und vermessenen Torheit; du hast dich keines Unrechts zu beklagen, auch keiner Unschuld zu getrösten, weil du selber deiner Marter und darauf folgendem Tod entgegen bist geeilet.« Also klagte ich mich selber an, bat Gott um Vergebung, und befahl ihm meine Seel: Indessen näherten wir dem Diebsturn, und als die Not am größten, da war die Hülf Gottes am nächsten; dann als ich mit den Schergen umgeben war, und samt einer großen Menge Volks vorm Gefängnus stund, zu warten bis es aufgemacht, und ich hineingetan würde, wollte mein Pfarrherr, dem neulich sein Dorf geplündert und verbrennt worden, auch sehen, was da vorhanden wäre (dann er lag zunächst dabei auch im Arrest). Als dieser zum Fenster aussahe, und mich erblickte, rufte er überlaut: »O Simplici bist dus?« Als ich ihn hörte und sahe, konnte ich nichts