Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 32)
die Stadt, und jedermann lief zu, als wenn ein Meerwunder auf die Schau geführt wurde; und gleichwie mich jedweder sehen wollte, also machte auch jeder etwas Besonders aus mir; etliche hielten mich vor einen Spionen, andere vor ein Unsinnigen, andere vor ein wilden Menschen, und aber andere vor ein Geist, Gespenst oder sonst vor ein Wunder, welches etwas Besonders bedeuten würde: Auch waren etliche, die hielten mich vor ein Narren, welche wohl am nächsten zum Zweck geschossen haben möchten, wann ich den lieben Gott nicht gekennet hätte.
Das 20. Kapitel
Wasgestalten er von der Gefängnus und der Folter errettet worden.
Als ich vor den Gubernator gebracht wurde, fragte er mich, wo ich herkäme? Ich aber antwortet, ich wüßte es nicht. Er fragt weiter: »Wo willst du dann hin?« Ich antwortet abermal: »Ich weiß nicht.« »Was Teufel weißt du dann«, fragte er ferner, »was ist dann dein Handtierung?« Ich antwortet noch wie vor, ich wüßte es nicht. Er fragte: »Wo bist du zu Haus?« und als ich wiederum antwortet, ich wüßte es nicht, verändert er sich im Gesicht, nicht weiß ich, obs aus Zorn oder Verwunderung geschahe? Dieweil aber jedermann das Böse zu argwohnen pflegt, zumalen der Feind in der Nähe war, als welcher allererst, wie gemeldt, die vorige Nacht Gelnhausen eingenommen, und ein Regiment Dragoner darin zuschanden gemacht hatte, fiele er denen bei, die mich vor einen Verräter oder Kundschafter hielten, befahl darauf, man sollte mich besuchen; als er aber von den Soldaten von der Wacht, so mich zu ihm geführet hatten, vernahme, daß solches schon beschehen, und anders nichts bei mir gefunden worden wäre, als gegenwärtiges Büchlein, welches sie ihm zugleich überreichten, lase er ein paar Zeilen danach, und fragte mich, wer mir das Büchlein geben hätte? ich antwortet, es wäre von Anfang mein eigen gewest, dann ich hätte es selbst gemacht und überschrieben. Er fragte: »Warum eben auf birkene Rinden?« Ich antwortet: »Weil sich die Rinden von andern Bäumen nicht dazu schicken.« »Du Flegel«, sagte er, »ich frage, warum du nicht auf Papier geschrieben hast?« »Ei«, antwortet ich, »wir haben keins mehr im Wald gehabt.« Der Gubernator fragte: »Wo? in welchem Wald?« Ich antwortet wieder auf meinen alten Schrot, ich wüßte es nicht.
Da wandte sich der Gubernator zu etlichen von seinen Offiziern, die ihm eben aufwarteten, und sagte: Entweder ist dieser ein Erzschelm, oder gar ein Narr! zwar kann er kein Narr sein, weil er so schreibt«, und indem als er so redet, blättert er in meinem Büchlein so stark herum, ihnen mein schöne Handschrift zu weisen, daß des Einsiedlers Brieflein herausfallen mußte, solches ließe er aufheben, ich aber entfärbte mich darüber, weil ich solches vor meinen höchsten Schatz und Heiligtum hielte; welches der Gubernator wohl in acht nahm, und daher noch ein größern Argwohn der Verräterei schöpfte, vornehmlich als er das Brieflein aufgemacht und gelesen hatte, dann er sagte: »Ich kenne einmal diese Hand, und weiß, daß sie von einem mir wohlbekannten Kriegsoffizier geschrieben worden ist, ich kann mich aber nicht erinnern, von welchem?« So kam ihm