Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 34)
anders, als daß ich beide Händ gegen ihm aufhube und schriee: »O Vatter! O Vatter! O Vatter!« Er aber fragte, was ich getan hätte? Ich antwortet, ich wüßte es nicht, man hätte gewißlich mich darum daher geführt, weil ich aus dem Wald entloffen wäre: Als er aber vom Umstand vernahm, daß man mich vor einen Verräter hielte, bat er, man wollte mit mir inhalten, bis er meine Beschaffenheit den Herrn Gouverneur berichtet hätte, dann solches würde beides, zu meiner und seiner Erledigung taugen, und verhüten, daß sich der Herr Gouverneur an uns beiden nicht vergreifen würde, sintemal er mich besser kenne als sonst kein Mensch.
Das 21. Kapitel
Das betrügliche Glück gibt Simplicio einen freundlichen Blick.
Ihm wurde erlaubt, zum Gubernator zu gehen, und über ein halbe Stund hernach wurd ich auch geholt und in die Gesindstube gesetzt, allwo sich schon zween Schneider, ein Schuster mit Schuhen, ein Kaufmann mit Hüten und Strümpfen, und ein anderer mit allerhand Gewand eingestellt, damit ich ehist gekleidet würde; da zog man mir den Rock ab, samt der Ketten und dem härinen Hemd, auf daß die Schneider das Maß recht nehmen könnten; folgends erschiene ein Feldscherer, mit scharfer Laugen und wohlriechender Seifen, und eben als dieser seine Kunst an mir üben wollte, kam ein anderer Befelch, welcher mich greulich erschreckte, weil er lautet, ich sollte meinen Habit wieder anziehen; solches war nicht so bös gemeint, wie ich wohl besorgte, dann es kam gleich ein Maler mit seinem Werkzeug daher, nämlich mit Minien und Zinnober zu meinen Auglidern, mit Lack, Endig und Lasur zu meinen korallenroten Lippen, mit Auripigmentum, Rauschschütt und Bleigelb zu meinen weißen Zähnen, die ich vor Hunger bleckte, mit Kühnruß, Kohlschwarz und Umbra zu meinen gelben Haaren, mit Bleiweiß zu meinen gräßlichen Augen, und mit sonst vielerlei Farben zu meinem wetterfarbigen Rock, auch hatte er eine ganze Hand voll Bensel. Dieser fieng an mich zu beschauen, abzureißen, zu untermalen, den Kopf über eine Seite zu henken, um seine Arbeit gegen meiner Gestalt genau zu betrachten; bald ändert er die Augen, bald die Haar, geschwind die Naslöcher, und in Summa alles, was er im Anfang nicht recht gemacht, bis er endlich ein natürliches Muster entworfen hatte, wie Simplicius eins war: Alsdann dorfte allererst der Feldscherer auch über mich herwischen; derselbe zwagte mir den Kopf, und richtet wohl anderthalbe Stund an meinen Haaren, folgends schnitte er sie ab auf die damalige Mode, dann ich hatte Haar übrig. Nachgehends setzt er mich in ein Badstüblein und säubert meinen mageren ausgehungerten Leib von mehr als drei- oder vierjährigem Unlust: Kaum war er fertig, da bracht man mir ein weißes Hemd, Schuhe und Strümpf, samt einem Überschlag oder Kragen, auch Hut und Feder; so waren die Hosen auch schön ausgemacht, und überall mit Galaunen verbrämt, allein manglets noch am Wams, daran die Schneider zwar auf die Eil arbeiteten; der Koch stellet sich mit einem kräftigen Süpplein ein, und die Kellerin mit einem Trank: Da saße mein Herr Simplicius wie ein junger Graf, zum besten akkommodiert; ich zehrte