Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 36)
der alten Eremiten hierzu verleitet worden.
Ich will dir aber auch ohnverhalten, wie er in den Spessert und seinem Wunsch nach zu solchem armseligen Einsiedlerleben kommen seie, damit du inskünftig auch andern Leuten etwas davon zu erzählen weißt: Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht vor Höchst verloren worden, kam er einig und allein vor meinen Pfarrhof, als ich eben mit meinem Weib und Kindern gegen dem Morgen entschlafen war, weil wir wegen des Lärmens im Land, den beides, die Flüchtige und Nachjagende in dergleichen Fällen zu erregen pflegen, die vorige ganze und auch selbige halbe Nacht durch und durch gewacht hatten: Er klopfte erstlich sittig an, und folgends ungestümm genug, bis er mich und mein schlaftrunken Gesind erweckte, und nachdem ich auf sein Anhalten und wenig Wortwechseln, welches beiderseits gar bescheiden fiele, die Tür geöffnet, sahe ich den Cavallier von seinem mutigen Pferd steigen, sein kostbarlich Kleid war ebensosehr mit seiner Feinde Blut besprengt, als mit Gold und Silber verbrämt; und weil er seinen bloßen Degen noch in der Faust hielte, so kam mich Forcht und Schrecken an; nachdem er ihn aber einsteckte und nichts als lauter Höflichkeit vorbrachte, hatte ich Ursach mich zu verwundern, daß ein so braver Herr einen schlechten Dorfpfarrer so freundlich um Herberg anredet: Ich sprach ihn wegen seiner schönen Person und seines herrlichen Ansehens halber vor den Mansfelder selbst an. Er aber sagte, er sei demselben vor diesmal nur in der Unglückseligkeit nicht allein zu vergleichen, sondern auch vorzuziehen; drei Ding beklagte er, nämlich sein verlorne hochschwangere Gemahlin, die verlorne Schlacht, und daß er nicht gleich andern redlichen Soldaten in derselben vor das Evangelium sein Leben zu lassen das Glück gehabt hätte. Ich wollte ihn trösten, sahe aber bald, daß seine Großmütigkeit keines Trostes bedorfte; demnach teilte ich mit, was das Haus vermochte, und ließ ihm ein Soldatenbett von frischem Stroh machen, weil er in kein anders liegen wollte, wiewohl er der Ruhe sehr bedürftig war. Das erste, das er den folgenden Morgen tät, war, daß er mir sein Pferd schenkte, und sein Gelt (so er an Gold in keiner kleinen Zahl bei sich hatte) samt etlich köstlichen Ringen unter meine Frau, Kinder und Gesind austeilete. Ich wußte nicht, wie ich mit ihm dran war, weil die Soldaten viel eher zu nemmen als zu geben pflegen; trug derowegen Bedenkens, so große Verehrungen anzunemmen, und wandte vor, daß ich solches um ihn nicht meritiert noch hinwiederum zu verdienen wisse, zudem, sagte ich, wenn man solchen Reichtum, und sonderlich das köstliche Pferd, welches sich nicht verbergen ließe, bei mir und den Meinigen sähe, so würde männiglich schließen, ich hätte ihn berauben oder gar ermorden helfen. Er aber sagte, ich sollte diesfalls ohne Sorg leben, er wollte mich vor solcher Gefahr mit seiner eigenen Handschrift versichern, ja er begehre sogar sein Hemd, geschweige seine Kleider aus meinem Pfarrhof nicht zu tragen, und mit dem öffnet er mir seinen Vorsatz, ein Einsiedel zu werden: Ich wehrete mit Händen und Füßen was ich konnte, weil mich bedünkte, daß solch