Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 35)

dapfer zu, ohnangesehen ich nicht wußte, was man mit mir machen wollte, dann ich wußte noch von keinem Henkersmahl nichts, dahero tät mir die Erkostung dieses herrlichen Anfangs so trefflich kirr und sanft, daß ichs keinem Menschen genugsam sagen, rühmen und aussprechen kann; ja ich glaube schwerlich, daß ich mein Lebtag einigesmal einen größern Wollust empfunden, als eben damals. Als nun das Wams fertig war, zog ichs auch an, und stellte in diesem neuen Kleid ein solch ungeschickte Postur vor Augen, daß es sahe wie ein Trophäum, oder als wenn man ein Zaunstecken geziert hätte, weil mir die Schneider die Kleider mit Fleiß zu weit machen mußten, um der Hoffnung willen die man hatte, ich würde in kurzer Zeit zulegen, welches auch bei so gutem Futter augenscheinlich geschahe. Mein Waldkleid, samt der Ketten und aller Zugehör, wurde hingegen in die Kunstkammer zu andern raren Sachen und Antiquitäten getan, und mein Bildnus in Lebensgröß daneben gestellt.

Nach dem Nachtessen wurde mein Herr in ein Bett gelegt, dergleichen mir niemals weder bei meinem Knan noch Einsiedel zuteil worden; aber mein Bauch kurret und murret die ganze Nacht hindurch, daß ich nicht schlafen konnte, vielleicht keiner andern Ursach halber, als weil er entweder noch nicht wußte was gut war, oder weil er sich über die anmütige neue Speisen, die ihm zuteil worden, verwunderte; ich blieb aber ein Weg als den andern liegen, bis die liebe Sonn wieder leuchtet (denn es war kalt) und betrachtet, was vor seltsame Anständ ich nun etliche Tag gehabt, und wie mir der liebe Gott so treulich durchgeholfen, und mich an ein so gutes Ort geführet hätte.

Das 22. Kapitel

Wer der Einsiedel gewesen, dessen Simplicius genossen.

Denselben Morgen befahl mir des Gouverneurs Hofmeister, ich sollte zu obgemeldtem Pfarrern gehen und vernehmen, was sein Herr meinetwegen mit ihm geredt hätte: Er gab mir einen Leibschützen mit, der mich zu ihm brachte, der Pfarrer aber führet mich in sein Museum, setzt sich, hieß mich auch sitzen, und sagte: »Lieber Simplici, der Einsiedel, bei dem du dich im Wald aufgehalten, ist nicht allein des hiesigen Gouverneurs Schwager, sondern auch im Krieg sein Beförderer und wertester Freund gewesen; wie dem Gubernator mir zu erzählen beliebt, so ist demselben von Jugend auf weder an Dapferkeit eines heroischen Soldaten, noch an Gottseligkeit und Andacht, die sonst einem Religioso zuständig, niemal nichts abgangen, welche beide Tugenden man zwar selten beieinander zu finden pflegt; sein geistlicher Sinn und widerwärtige Begegnüssen hemmeten endlich den Lauf seiner weltlichen Glückseligkeit, so daß er seinen Adel und ansehenliche Güter in Schotten, da er gebürtig, verschmähet und hindansetzet, weil ihm alle Welthändel abgeschmack, eitel und verwerflich vorkamen: Er verhoffte, mit einem Wort, seine gegenwärtige Hoheit um ein künftige bessere Glori zu verwechseln, weil sein hoher Geist einen Eckel an allem zeitlichen Pracht hatte, und sein Dichten und Trachten war nur nach einem solchen erbärmlichen Leben gerichtet, darin du ihn im Wald angetroffen, und bis in seinen Tod Gesellschaft geleistet hast: Meines Erachtens ist er durch Lesung vieler papistischen Bücher von dem Leben

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