Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 306)
indem er sich aber wieder ein wenig erholete und bei ihm selbst ermaß, was vor Nachteil und Schaden sein höllisches Reich am bishero gewohnten Interesse leiden müßte, griesgrammet er schröcklich! er knarbelt mit den Zähnen so greulich, daß er weit und breit forchterlich zu hören war, und seine Augen funkelten so grausam vor Zorn und Ungedult, daß ihm schwefelichte Feurflammen gleichsam wie der Blitz herausschlugen und sein ganze Wohnung erfülleten; also daß sich nicht allein die arme verdammte Menschen und geringe höllische Geister, sonder auch seine vornehmste Fürsten und gehaimste Rät selbst davor entsetzten; zuletzt lieffe er mit den Hörnern wider die Felsen daß die ganze Höll davon zitterte, und fieng dergestalt an zu wütten und toben, daß die Seinige sich nichts anders einbilden konnten, als er würde entweder gar abreißen, oder ganz toll und töricht werden; maßen sich ein Zeitlang niemand erkühnen dorfte, sich zu ihm zu nahen, weniger ein einziges Wörtlein mit ihm zu sprechen.
Endlich wurde Belial so keck und sagte: »Großmächtiger Fürst, was seind das vor Gebärden von einer solchen unvergleichlichen Hochheit? wie? hat der größte Herr seiner selbst vergessen? oder was soll uns doch diese ungewöhnliche Weis bedeuten, die Eurer herrlichen Majestät weder nutzlich noch rühmlich sein kann?« »Ach!« antwortet Luzifer, »ach! ach wir haben allesamt verschlafen und durch unsere eigene Faulheit zugelassen, daß lerna malorum, unser liebstes Gewächs, das wir auf dem ganzen Erdboden hatten, und mit so großer Mühe gepflanzt, mit so großem Fleiß erhalten, und die Früchte davon jeweils mit so großem Wucher eingesammlet, nunmehr aus den teutschen Grenzen gereutet, auch, wann wir nicht anders dazutun, besorglich aus ganz Europa geworfen wird! und gleichwohl ist keiner unter euch allen, der solches recht beherzige! Ists uns nicht allen eine Schand, daß wir die wenige Täglin, welche die Welt noch vor sich hat, so liederlich verstreichen lassen? ihr schläferige Maulaffen wißt ihr nicht, daß wir in dieser letzten Zeit unsere reichste Ernt haben sollen? das ist mir gegen dem End der Welt auf Erden schön dominiert, wann wir wie die alte Hund zur Jagd vertrossen und untüchtig werden wollen; der Anfang und Fortgang des Kriegs sahe unserm verhofften fetten Schnitt zwar gleich, was haben wir aber jetzt zu hoffen, da Mars Europam bis auf Polen quittiert, dem lerna malorum auf dem Fuß nachzufolgen pflegt?«
Als er diese Meinung vor Bosheit und Zorn mehr herausgedonnert als geredet hatte, wollte er die vorige Wut wieder angehen; aber Belial machte daß er sichs noch enthielte, da er sagte: »Wir müssen deswegen den Mut nicht sinken lassen, noch sich gleich stellen wie die schwachen Menschen die ein widerwärtiger Wind anbläst, weißt du nicht, o großer Fürst, daß mehr durch den Wein als durchs Schwerdt fallen? sollte dem Menschen, und zwar den Christen, ein geruhiger Fried, welcher den Wollust auf dem Rucken mit sich bringt, nicht schädlicher sein als Mars? ist nicht gnug bekannt, daß die Tugenden der Braut Christi nie heller leuchten als mitten in höchstem Trübsal?« »Mein Wunsch und Will aber ist«, antwortet Luzifer, »daß die Menschen sowohl in