Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 309)

jetzt erst in meinem Alter weichen, und ihr den Vorzug lassen müßte? nimmermehr nit! Großmächtiger Fürst, würde es deiner Hochheit anstehen, noch deiner intention nach gelebt sein, die du hast, das menschlich Geschlecht sowohl hie als dort zu quälen, wann du dieser allemode Närrin gewonnen gäbest, daß sie in ihrer Verfahrung wider mich recht handele? ich hab zwar mißredet, indem ich gesagt, recht handele; dann mir ist recht und unrecht eins wie das ander; ich wollte soviel damit sagen, es gereiche zu Schmälerung deines Reiches, wann mein Fleiß, den ich von unvordenklichen Jahren hero bis auf diese Stund so unverdrossen vorgespannet, mit solcher Verachtung belohnet, mein Ansehen, Ästimation und Valor bei den Menschen dadurch verringert, und endlich ich selbsten auf solche Weis aus ihrer aller Herzen gar ausgelöscht und vertrieben werden sollte; befehle derohalben dieser jungen unverständigen Landläuferin, daß sie mir als einem Ältern weichen, forthin meinem Beginnen nachgeben, und mich in deinen Reichsgeschäften unverhindert fürfahren lassen solle, in aller Maß und Form, als vor diesem beschehen, da man in der ganzen Welt von ihr nichts wußte.«

Demnach der Geiz diese Meinung mit noch weit mehrern Umständen vorgebracht hatte, antwortet die Verschwendung, es verwundere sie nichts mehrers, als daß ihr Großvatter so unverschämt in sein eigen Geschlecht hinein gleichwie ein anderer Herodes Ascalonita in das seinige wüten dürfe. »Er nennet mich« (sagt sie) »eine Bräckin; solcher Titul gebühret mir zwar, weil ich sein Enklin bin; meiner eignen Qualitäten halber aber wird mir derselbe nimmermehr zugeschrieben werden können; er rucket mir auf, daß ich mich bisweilen vor die Freigebigkeit ausgebe, und unter solchem Schein meine Geschäfte verrichte; ach einfältiges Anbringen eines alten Gedien! welches mehr zu verlachen als meine Handlungen zu bestrafen; weiß der alte Narr nicht, daß keiner unter allen höllischen Geistern ist, der sich zuzeiten nit nach Gestaltsame der Sach und erheischender Notdurft nach in ein Engel des Liechts verstelle? Zwar mein ehrbarer Herr Ähne nehme sich bei der Nasen; überredet er nit die Menschen wann er anklopft, Herberg bei ihnen zu suchen, er seie die Gesparsamkeit? sollte ich ihn drum deswegen tadeln oder gar verklagen? Nein, mitnichten; ich bin ihm deswegen nit einmal gehässig! sintemalen wir sich alle mit dergleichen Vörteln und Betrügereien behelfen müssen, bis wir bei den Menschen ein Zutritt bekommen, und sich unvermerkt eingeschleicht haben; und möchte ich mir wohl einen rechtschaffenen frommen Menschen (die wir aber allein zu hindergehen haben, dann die Gottlose werden uns ohnedas nit entlaufen) hören, was er sagte, wann einer von uns angestochen käme, und sagte: ›Ich bin der Geiz, ich will dich zur Höllen bringen! ich bin die Verschwendung; ich will dich verderben; ich bin der Neid, folg mir, so kommst du in die ewige Verdammnus; ich bin die Hoffart, lasse mich bei dir einkehren, so mache ich dich dem Teufel gleich, der von Gottes Angesicht verstoßen worden, ich bin dieser oder der, wann du mir nachähmest, so wird es dich viel zu spat reuen weil du alsdann der ewigen Pein nimmermehr wirst entrinnen können!‹ Meinest du nit«, sagte sie

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