Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 310)
zum Luzifer, »großmächtiger Fürst, ein solcher Mensch werde sagen, troll dich geschwind in aller hunderten tausenden Namen in Abgrund der Höllen zu deinem Großvatter hinunter, der dich gesandt hat? und lasse mich zufrieden; wer ist unter euch allen«, sprach sie darauf zum ganzen Umstand, »dem nit solchergestalt abgedankt worden, wann er mit der Wahrheit, die ohnedas überall verhaßt ist, aufzuziehen sich unterstanden? Sollte ich dann allein der Narr sein, mich mit der Wahrheit schleppen? und unser aller Großvattern nicht nachfolgen dürfen? dessen größte Arcana die Lügen ist.
Ebenso kahl kommts, wann der alte Pfetzpfenning zu meiner Verkleinerung vorgeben will, die Hoffart und der Wollust seien meine Beiständ; und zwar wann sie es sein, so tun sie erst was ihre Schuldigkeit und die Vermehrung des höllischen Reichs von ihnen erfordert; das gibt mich aber wunder, daß er mir mißgönnen will, was er selbst nit entbehren kann! weiset es nit das höllische Protokoll aus, daß diese beide manchem armen Tropfen ins Herz gestiegen und dem Geiz den Weg bereitet, ehe er, der Geiz, einmal gedachte oder sich erkünnen dürfte einen solchen Menschen zu attackiern? Man schlage nur nach, so wird man finden, daß denen so der Geiz verführt, entweder zuvor die Hoffart eingeblasen, sie müssen zuvor etwas haben, ehe sie sich sehen lassen zu prangen, oder daß ihnen die Reizung des Wollusts geraten, sie müssen zuvor etwas zusammenschächern, ehe sie in Freuden und Wollust leben könnten; warum will mir dann nun dieser mein schöner Großvatter diejenige nit helfen lassen, die ihm doch selbst so manchen guten Dienst getan; was aber den Fraß und die Füllerei anbelangt, kann ich nichts davor, daß der Geiz seine Untersassen so hart hält, daß sie sich ihrer wie die meinige nit ebensowohl auch annehmen dürfen; ich zwar halte sie dazu, weil es meiner Profession ist, und er läßt sie die seinige auch nit ausschlagen, wann es nur nit über ihren Säckel gehet; und ich sage dennoch nicht, daß er etwas Ungereimts daran begehe, sintemal es in unserem höllischen Reich ein altes Herkommen, daß je ein Mitglied dem andern die Hand bieten, und wir allesammen gleichsam wie ein Kette aneinanderhangen sollen; betreffend meines Ahnherrn Titul, daß er nämlich je und allweg, wie dann auch noch, die Wurzel alles Übels genennet worden, und daß ich besorglich ihne durch mein Aufnemmen verkleinern, oder ihm gar vorgezogen werden möchte, darüber ist mein Antwort, daß ich ihm seine gebührende und wohlhergebrachte Ehr, die ihm die Menschenkinder selbst geben, weder mißgönne noch ihm solche abzurauben trachte; allein wird mich auch niemand unter allen höllischen Geistern verdenken, wann ich mich befleiße, durch meine eigene Qualitäten meinen Großvatter zu übertreffen oder ihm doch wenigst gleichgeschätzt zu werden; welches ihm dann mehr zur Ehr als Schand gereichen wird, weil ich aus ihm meinen Ursprung zu haben bekenne; zwar hat er meines Herkommens halber etwas Irrigs auf die Bahn gebracht, weil er sich meiner schämet: indem ich nicht, wie er vorgibt, des Wollusts, sondern eigentlich seines Sohns des Überflusses Tochter bin, welcher mich aus der Hoffart, des allergrößten