Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 315)

zu kommuniziern vorhabens; welches dann nichts anders ist, als ein Exempel zu weisen, wie aus einem geringen Fünklein allgemach ein groß Feur werde, wann man die Vorsichtigkeit nicht beobachtet; dann gleichwie selten jemand in dieser Welt auf einmal den höchsten Gradum der Heiligkeit erlangt, also wird auch keiner gähling und sozusagen in einem Augenblick aus einem Frommen zu einem Schelmen; sonder jeder Teil steigt allgemach, sacht und sacht fein staffelweis hinan; welche Staffeln des Verderbens dann in diesem meinem Gesichte billich nicht außer acht zu lassen, damit sich ein jeder zeitlich davor zu hüten wisse, zu welchem End ich dann vornehmlich solche beschreibe, maßen es diesen beiden Jünglingen gangen wie einem jungen Stück Wild, welches, wann es den Jäger siehet, anfänglich nicht weiß ob es fliehen oder stehen soll, oder doch ehender gefällt wird, als es den Schützen erkennet; zwar giengen sie etwas geschwinder, als gewöhnlich, ins Netz, aber solches war die Ursach, daß bei jedem der Zunder bequem war, die Funken des einen und andern Lasters also gleich zu fangen; dann wie das junge Viehe, wann es wohl ausgewintert ist und im Frühling aus dem verdrießlichen Stall auf die lustige Waid gelassen wird, anfahet zu gumpen, und sollte es auch zu seinem Verderben in einen Stall oder Zaunstecken springen, also machts auch die unbesonnene Jugend, wann sie sich nicht mehr unter der Ruten vätterlicher Zucht, sonder aus der Eltern Augen in der lang erwünschten Freiheit befindet, als deren gemeiniglich Erfahrenheit und Vorsichtigkeit manglet.

Das Obgemeldte sagte die Hoffart nicht nur vor die lange Weil zu der Verschwendung, sonder wendet sich gleich zu dem Avaro selbsten, bei deme sie den Neid und Mißgunst fande, welche Kameraden der Geiz geschickt hatte, ihm den Weg zu bereiten; derowegen richtet sie ihren Diskurs danach ein, und sagte zu ihm: »Höre du, Avare, bist du nicht so wohl ein Mensch als dein Herr? bist du nicht so wohl ein Engelländer als Julius? was ist dann das? daß man ihn einen gnädigen Herrn, und dich seinen Knecht nennet? hat euch beide dann nicht Engelland, und zwar den einen wie den andern geborn und auf die Welt gebracht? wo kommt es her, daß er hier im Land, da er so wenig eignes hat als du, vor einen gnädigen Herren gehalten, du aber als ein Sklav traktiert würdest! seind nicht ihr beide einer wie der ander über Meer herkommen? hätte er nicht so wohl als du, und ihr beide als Menschen, zugleich ersaufen müssen, wann euer Schiff unterwegs gescheitert? oder wäre er, weil er ein Edelmann ist, etwan wie ein Delphin unter den Wellen der Ungestümme in ein sichern Port entrunnen? oder hätte er sich vielleicht als ein Adler über die Wolken (darinnen sich der Anfang und die grausame Ursach eures Schiffbruchs enthalten) schwingen, und also dem Untergang entgehen können? nein Avare! Julus ist so wohl ein Mensch als du, und du bist so wohl ein Mensch als er! warum wird er dir aber so weit vorgezogen?« mit dem fiel Mammon der Hoffart in die Red und sagt:

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