Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 316)

»Was ist das vor ein Handel, einem zum Fliegen anzusporen, ehe ihm die Federn gewachsen? gleichsam als wann man nicht wüßte, daß solches das Geld sei, was Julus ist! Sein Geld, sein Geld ists, was er ist, und sonst ist er nichts! nichts sag ich, ist er, als was sein Geld aus ihm macht; der gute Gesell harre nur ein wenig, und lasse mich gewähren, ob ich dem Avaro durch Fleiß und Gehorsamkeit nicht ebensoviel Geld, als Julus verschwendet, zuwegen bringen, und ihn dadurch zu einem solchen Stutzer, wie Julus einer ist, gleichmachen möchte.«

So hatten des Avari erstere Anfechtungen eine Gestalt, denen er nicht allein fleißig Gehör gabe, sondern sich auch entschlosse, denselben nachzuhängen; so unterließe Julus auch nicht, demjenigen mit allem Fleiß nachzuleben, was ihm die Hoffart eingab.

Das 6. Kapitel

Wie Julus und Avarus nach Paris reisen und dort ihre Zeit vertreiben.

Der gnädige Herr, das ist Herr Julus, übernachtet an demjenigen Ort, da wir angeländet, und verblieb den andern Tag und die folgende Nacht noch dazu daselbsten, damit er ausruhen, seinen Wechsel empfahen, und Anstalt machen möchte, von dadurch die Spanische Niederland in Holland zu passieren, welche vereinigte Provinzien er nicht allein zu besehen verlangte, sonder auch, daß er solches tun sollte, von seinem Herrn Vattern austrückenlichen Befelch hatte; hierzu dingte er ein sonderbare Landkutschen, zwar nur allein vor sich und seinen Diener Avarum, aber beides, Hoffart und Verschwendung samt dem Geiz und ihrer aller Anhänger wollten gleichwohl nicht zuruckverbleiben, sonder ein jeder Teil setzte sich wohin er konnte, Hoffart oben an die Decke, Verschwendung an des Juli Seiten, der Geiz in des Avari Herz, und ich hockte und behalf mich auf dem Narrenkistlein, weil Demut nicht vorhanden war, denselbigen Platz einzunehmen.

Also hatt ich das Glück, im Schlaf viel schöne Städt zu beschauen, die unter tausenden kaum einem wachend ins Gesicht kommen, oder zu sehen werden; die Reis gieng glücklich ab, und wannschon gefährliche Ungelegenheiten sich ereigneten, so überwünde jedoch des Juli schwerer Säckel solche all, weil er sich kein Geld tauren ließe, und sich um solches (weil wir durch unterschiedliche widerwärtige Garnisonen reisen mußten) aller Orten mit notwendigen Convoyen und Paßbriefen versehen ließe; ich achtet derjenigen Sachen, so sonst in diesen Landen sehenswürdig sein, nicht sonderlich, sonder betrachtet nur, wie beide Jüngling nach und nach von den obgemeldten Lastern je mehr und mehr eingenommen wurden, zu welchen sich je länger je mehr sammleten; da sahe ich, wie Julus auch von dem Vorwitz und der Unkeuschheit (welche davorgehalten wird, daß sie eine Sünd sei, damit die Hoffart gestraft werde) angerennet und eingenommen wurde, weswegen wir dann oft an den Örtern, da sich leichte Dirnen befanden, länger stilliegen mußten und mehr Gelds vertäten als sonst wohl die Notdurft erforderte; andernteils quälte sich Avarus Geld zusammenzuschrappen wie er mochte, er bezwackte nicht allein seinen Herren, sonder auch die Wirt und Gastgeber wo er zukommen mochte; gab mithin einen trefflichen Kuppler ab, und scheute sich nicht, hie und da unterwegs unsere Herberger zu bestehlen, und hätte es auch nur ein silberner

Seiten