Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 318)

zunutz zu machen gedachte; dann Mammon hatte ihn allbereit bewegt, sich der Untreu zu ergeben, wann er anders etwas prosperieren wollte; weswegen er dann keine Gelegenheit vorüberlaufen ließe, seinem Herrn, der ohnedas sein Geld so unnützlich hinausschlauterte, abzuzwacken was er konnte; im wenigsten bezahlte er keine Näherin oder Wäscherin, deren er ihren gewöhnlichen Lohn nicht ringerte, und was er denen abbrach, heimlich in seinen Beutel steckte; kein Kleidflicker oder Schuhschmiererlohn war so klein, den er seinem Herrn nicht vergrößerte, und den Überfluß zu sich schobe; geschweige wie er in großen Ausgaben per fas et nefas zu sich rappte und sackte, wo er nur konnt und möchte; die Sesselträger, mit denen sein Herr viel Geld hinrichtete, verändert er gleich, wann sie ihm nit Part an ihren Verdienst gaben; der Bastedenbäck, der Garkoch, der Weinschenk, der Holzhändler, der Fischverkaufer, der Bäck und also andere Viktualisten mußten beinahe ihren Gewinn mit ihm teilen, wollten sie anders an dem Julo länger einen guten Kunden behalten; dann er war dergestalt eingenommen, seinem Herrn durch Besitzung vieles Gelds und Guts gleich zu werden, als etwan hiebevor Luzifer, da er wegen seiner vom Allerhöchsten verliehenen Gaben erkühnete, seinen Stuhl an den mächtigen Thron des großen Gottes zu setzen; also lebten beide Jüngling ohne alle andere Anfechtungen zwar dahin, ehe sie wahrnahmen, wie sie lebten; dann Julus war an zeitlicher Hab ja so reich als Avarus bedürftig, und deswegen vermeinte jeder, er verfahre seinem Stand nach gar recht und wohl, ich will sagen, wie es eines jeden Stand und Gelegenheit erfordere; jener zwar seinem Reichtum gemäß sich herrlich und prächtig zu erzeigen, dieser aber seiner Armut zu Hülf zu kommen, und etwas zu prosperiern und sich der gegenwärtigen Gelegenheit zu bedienen, die ihm sein vertunlicher Herr an die Hand gab; jedoch unterließe der innerliche Wächter, das Liecht der Vernunft, der Zeug der nimmer gar stillschweigt, nämlich das Gewissen, indessen nicht, einem jeden seine Fehler zeitlich genug vorzuhalten, und ihm eines andern zu erinnern.

»Gemach! gemach!« wurde zu dem Julo gesprochen, »halte ein dasjenig so ohnnützlich zu verschwenden, welches deine Vorderen vielleicht mit saurer Mühe und Arbeit, ja vielleicht mit Verlust ihrer Seligkeit erworben, und dir so getreulich vorgespart haben; vielmehr lege es also an, damit du künftig deswegen beides, vor Gott, der ehrbarn Welt und deinen Nachkommen bestehen und Rechenschaft darum geben mögest!« etc. Aber diesem und dergleichen heilsamen Erinnerungen oder innerlichen guten Einsprechung, die Julum zur Mäßigkeit reizen wollten, wurde geantwortet: »Was ich bin kein Bärnhäuter noch Schimmeljud, sonder ein Cavallier; sollte ich meine adeliche Exercitia in Gestalt eines Bettelhunds oder Schurken begreifen? nein, das ist nit der Gebrauch noch Herkommens, ich bin nit hier, Hunger und Durst zu leiden, viel weniger wie ein alter karger Filz zu schachern, sonder als ein rechtschaffener Kerl von meinen Renten zu leben!« Wann aber die gute Einfäll, die er melancholische Gedanken zu nennen pflegte, auf solche Gegenwürf dennoch nit ablassen wollten, ihn aufs beste zu ermahnen, so ließe er ihm das Lied: Laßt uns unser Tag genießen, Gott weiß, wo wir

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