Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 319)

morgen sein etc. aufspielen, oder besuchte das Frauenzimmer, oder sonst ein lustige Gesellschaft, mit deren er ein Rausch soffe, warvon er je länger je ärger, und endlich gar zu einem Epikurer ward.

Nicht weniger wurde andernteils Avarus von innerlichen Zusprechen erinnert, daß dieser Weg, den er zum Besitz der Reichtum zu gehen antrete, die allergrößte Untreu von der Welt sei, mit fernerer Ermahnung, er seie seinem Herrn nit allein mitgeben worden ihm zu dienen, sonder auch durchaus seinen Schaden zu wenden, seinen Nutzen zu fördern, ihn zu allen ehrlichen Tugenden anzureizen, vor allen schändlichen Lastern zu warnen und vornehmlich sein zeitliche Hab nach müglichsten Fleiß zusammenzuheben und beobachten; welche er aber im Gegenteil selbst zu sich reiße und ihne, Julum, noch dazu in allerhand Laster stürzen helfe; item auf was Weis er wohl vermeine, daß er solches gegen Gott, dem er um alles Rechenschaft geben müßte, gegen des Juli frommen Eltern, die ihm ihren einigen Sohn anvertraut und getreulich zu beobachten befohlen, und endlich gegen dem Julo selbsten zu verantworten getraue, wann derselbe zu seinen Tagen kommen, und heut oder morgen verstehen werde, daß aus seiner Verwahrlosung und Untreu beides, seine Person zu allem Guten verderbt, und seine Reichtum unnützlich verschwendet worden? »Hiemit zwar, o Avare, ists noch nicht genug! dann über solche schwere Verantwortung, die du dir des Juli Person und Gelds wegen aufbirdest, besudelst du dich selbst auch mit dem schändlichen Laster des Diebstahls und machst dich des Strangs und Galgens würdig; du unterwirfst deine vernünftige, ja himmlische Seel dem Schlamm der irdischen Güter, die du ungetreuer und hochsträflicher Weis zusammenzuscharren gedenkest, welche doch der Heid Crates Thebanus ins Meer warfe, damit sie ihn nit verderben sollten, wiewohl er solche rechtmäßig besaße; wie vielmehr, kannst du wohl erachten, werden sie dein Undergang sein, indem du solche im Gegenspiel aus dem großen Meer deiner Untreu erfischen willst! solltest du dir wohl einbilden dürfen, sie werden dir wohl gedeihen?«

Solche und dergleichen mehr guter Ermahnungen beides, von der gesunden Vernunft und seinem Gewissen empfande zwar Avarus in sich selbsten; aber es manglet ihm hingegen mitnichten an Entschuldigungen, sein böses Beginnen zu beschönen und gut zu sprechen. »Was?« sagte er mit Salomone, Proverbior. 26, wegen des Juli Person, »was soll dem Narren Ehr, Geld und gute Tage? sie könnens doch nicht brauchen! zudem hat er ohnedas genug! und wer weiß wie es seine Eltern gewonnen haben? ists nicht besser, ich packe selbst dasjenige an, das er doch sonst ohne mich verschwendet, als daß ichs unter Fremde kommen lasse?«

Dergestalt folgten beide Jüngling ihren verblendten Begierden, und ersäuften sich mithin in Abgrund des Wollust, bis endlich Julus die liebe Franzosen bekam, und eine Woch oder vier schwitzen, und beides seinen Leib und Beutel purgiern lassen mußte, welches ihn drum nit besser machte, oder ihm zur Warnung gedeihete; dann er machte das gemeine Sprichwort wahr: »Da der Krank wieder genas, je ärger er was«.

Das 7. Kapitel

Avarus findet auf ohngekehrter Bank, und Julus hingegen macht Schulden, dessen Vatter aber reiset in ein andere Welt.

Avarus stahl

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