Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 327)

zu einer schönen Blum oder Zweig, zu einem Maulbeerbaum, und darauf in einen schönen seidenen Teppich etc. bis er sich endlich wieder in menschliche Gestalten verändert, und dieselbe öfter verwechselt, als solche gedachter Hans Sachs von ihm beschrieben; und weil ich von so unterschiedlichen schnellen Verwandlungen weder im Ovido noch sonsten nirgends gelesen (dann den mehrgedachten Hans Sachsen hatte ich damals noch nit gesehen) gedachte ich, der alte Proteus sei wieder von den Toten auferstanden, mich mit seiner Gaukelei zu äffen, oder es sei vielleicht der Teufel selbst, mich als einen Einsiedler zu versuchen, und zu betrügen; nachdem ich aber von ihm verstanden, daß er mit bessern Ehren den Mond in seinem Wappen führe als der türkisch Kaiser, item daß die Unbeständigkeit sein Aufenthalt, die Beständigkeit aber seine ärgste Feindin seie, um welche er sich gleichwohl keine Schnall schere, weil er mehrenteils sie flüchtig mache, verändert er sich in einen Vogel, flohe schnell davon, und ließe mir das Nachsehen.

Darauf setzte ich mich nieder in das Gras, und fieng an diejenige Wort zu betrachten, die mir Baldanders hinderlassen hatte, die Kunst so ich von ihm zu lernen daraus zu begreifen; ich hatte aber nit das Herz, selbige auszusprechen, weil sie mir vorkamen, wie diejenige damit die Teufelsbanner die höllische Geister beschweren und andere Zauberei treiben, maßen sie dann auch ebenso seltsam, unteutsch und unverständlich scheinen; ich sagte zu mir selber: »Wirst du sie anfahen zu reden, wer weiß, was dir alsdann vor Hexengespenst damit herbeilockest; vielleicht ist dieser Baldanders der Satan gewest, der dich hierdurch verführen will; weißt du nit, wie es den alten Einsiedlern ergangen?« Aber gleichwohl underließe mein Vorwitz nicht, die geschriebene Wort stetig anzuschauen und zu betrachten, weil ich gern mit stummen Dingen hätte reden können, sintemalen auch andere die unvernünftige Tier verstanden haben sollen; wurde demnach je länger je verpichter darauf, und weil ich ohne Ruhm zu melden, ein ziemlicher Zifferant bin, und meine geringste Kunst ist, einen Brief auf einen Faden, oder wohl gar auf ein Haar zu schreiben, den wohl kein Mensch wird aussinnen oder erraten können, zumalen auch vor längsten wohl andere verborgene Schriften ausspekuliert, als die Steganographia Trithemii sein mag; also sahe ich auch diese Schrift mit andern Augen an, und fande gleich daß Baldanders mir die Kunst nit allein mit Exempeln, sonder auch in obiger Schrift mit guten teutschen Worten viel aufrichtiger kommuniziert, als ich ihm zugetraut; damit war ich nun wohl zufrieden, und achtet meiner neuen Wissenschaft nit sonderlich, sonder gieng zu meiner Wohnung, und lase die Legenten der alten Heiligen, nit allein durch gute Beispiel mich in meinem abgesonderten Leben geistlich zu erbauen, sonder auch die Zeit zu passieren.

Das 10. Kapitel

Der Eremit wird aus einem Wald- ein Wallbruder.

Das Leben des heiligen Alerii kam mir im ersten Griff unter die Augen, als ich das Buch aufschlug; da fande ich mit was vor einer Verachtung der Ruhe er das reiche Haus seines Vattern verlassen, die heilige Örter hin und wieder mit großer Andacht besucht und endlich beides, sein Pilgerschaft und

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