Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 330)

trefflich und traktierte mich mit lauter Veltliner- und Ötschwein; er hatte selbst Rom, Venedig, Ragusa, Konstantinopel und Alexandriam gesehen; als derowegen ich ihm viel Wahrzeichen und Gebräuch von solchen Örtern zu sagen wußte, glaubte er mir auch, was ich ihm von ferneren Ländern und Städten aufschniede, dann ich regulierte mich nach Samuels von Golau Reimen, wann er spricht:

»Wer lügen will, der leug von ferne!

Wer zeugt dahin, erfährets gerne?«

Und da ich sahe daß es mir so wohl gelunge, kam ich mit meiner Erzählung fast in der ganzen Welt herumber; da war ich selbst in des Plinii dicken Wald gewesen, welchen man bisweilen bei den Aquis Curiliis antreffe, denselben aber hernach, wann man ihn mit höchstem Fleiß suche, gleichwohl weder bei Tag und Nacht mehr finden könne; ich hatte selbst von dem lieblichen Wundergewächs Borametz in der Tartarei gessen; und wiewohl ich dasselbe mein Tage nicht gesehen, so konnte ich jedoch meinem Wirt von dessen anmütigem Geschmack dermaßen diskurieren, daß ihm das Maul wässerig davon wurde; ich sagte: »Es hat ein Fleischlein wie ein Krebs, das hat ein Farb wie ein Rubin oder roter Pfersig, und einen Geruch, der sich beides, den Melonen und Pomeranzen vergleicht.« Benebens erzählte ich ihm auch, in was Schlachten, Scharmützlen und Belägerungen ich mein Tage gewesen wär, log aber auch etwas mehrers dazu, weil ich sahe daß ers so haben wollte; maßen er sich mit solchen und dergleichen Geschwätz wie die Kinder mit den Märlein aufziehen ließe, bis er darüber entschlieffe, und ich in eine wohlakkommodierte Kammer zu Bett geführt wurde, da ich dann in einem sanften Bett ohneingewieget einschlieffe, welches mir lang nicht widerfahren war.

Ich erwachte viel früher als die Hausgenossen selbst, konnte aber drum nicht aus der Kammer kommen, einen Last abzulegen, der zwar nicht groß, aber doch sehr beschwerlich war, ihn über die bestimmte Zeit zu tragen; fande mich aber hinder einer Tapezerei mit einem hierzu bestimmten Ort, welchen etliche eine Kanzelei zu nennen pflegen, viel besser versehen, als ich in solcher Not hätt hoffen dürfen; daselbst hinsetzte ich mich eilends zu Gericht, und bedachte, wieweit meine edle Wildnus dieser wohlgezierten Kammer vorzuziehen wäre, als in welcher beides, Fremd und Heimisch an jeden Orten und Enden ohne Erdultung einer solchen Angst und Drangsal, die ich dazumal überstanden hatte, stracks niederhocken könnte; nach Erörterung der Sach, als ich eben an des Baldanders Lehr und Kunst gedachte, langte ich aus einem neben mir hangenden Garvier ein Oktav von einem Bogen Papier, an demselbigen zu exequieren, warzu es, neben andern mehr seiner Kameraden, kondemniert, und daselbst gefangen war. »Ach!« sagte dasselbige, »so muß ich dann nun auch, vor meine treue geleiste Dienste und lange Zeit überstandene vielfaltige Peinigungen, zugenötigte Gefahren, Arbeiten, Ängste, Elend und Jammer, nun ererst den allgemeinen Dank der ungetreuen Welt erfahren und einnehmen? ach warum hat mich nit gleich in meiner Jugend ein Funk oder Goll aufgefressen, und alsobald Dreck aus mir gemacht, so hätte ich doch meiner Mutter, der Erden, gleich wiederum dienen, und durch meine angeborne Feistigkeit ihro ein liebliches Waldblümlein oder

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