Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 331)

Kräutlein herfürbringen helfen können, ehe daß ich einem solchen Landfahrer den Hindern hätt wischen, und meinen endlichen Undergang im Scheißhaus nehmen müssen; oder warum werde ich nicht in eines Königs von Frankreich Sekret gebraucht, dem der von Navarra den Arsch wischt? warvon ich dann viel größer Ehr gehabt hätte, als einem entloffenen Monacho zu Dienst zu stehen?« Ich antwortet: »Ich höre an deinen Reden wohl, daß du ein nichtswertiger Gesell und keiner andern Begräbnus würdig seiest, als eben derjenigen, darin ich dich jetzunder senden werde; und wird gleich gelten, ob du durch einen König oder Bettler an einen solchen stinkend Ort begraben wirst, davon du so grob und unhöflich sprechen darfst, dessen aber ich mich hingegen herzlich gefreuet; hast du aber etwas deiner Unschuld und dem menschlichen Geschlecht treugeleister Dienste wegen vorzubringen, so magst du es tun; ich will dir gern, weil noch jedermann im Hause schläft, Audienz geben, und dich nach befindenden Dingen von deinem gegenwärtigen Untergang und Verderben konservieren.«

Hierauf antwortet das Schermesser: »Meine Voreltern seind erstlich nach Plinii Zeugnus lib. 20, cap. 23 in einem Wald, da sie auf ihrem eignen Erdreich in erster Freiheit wohnten und ihr Geschlecht ausbreiteten, gefunden, in menschliche Dienste als ein wildes Gewächs gezwungen und namentlich Hanf genennet worden; von denselbigen bin ich zu Zeiten Wenceslai in dem Dorf Goldscheur als ein Samen entsprossen und erzielt; von welchem Ort man sagt, daß der beste Hanfsamen in der Welt wachse; daselbst nahm mich mein Erzieler von den Stengeln meiner Eltern, und verkaufte mich gegen dem Frühling einem Kramer, der mich unter andern fremden Hanfsamen mischte und mit uns schacherte; derselbe Kramer gab mich folgends einem Bauren in der Nachbarschaft zu kaufen und gewann an jedem Sester einen halben Goldgülden, weil wir unversehens aufschlugen und teuer wurden; war also gemeldter Kramer der zweite so an mir gewann, weil mein Erzieler, der mich anfänglich verkaufte, den ersten Gewinn schon hinweghatte; der Bauer aber so mich vom Kramer erhandelt, warf mich in einen wohlgebauten fruchtbaren Acker, allwo ich im Gestank des Roß-, Schwein-, Kühe- und andern Mists vermodern und ersterben mußte; doch brachte ich aus mir selbsten einen hohen stolzen Hanfstengel hervor, in welchen ich mich nach und nach veränderte, und stracks zu mir selbst in meiner Jugend sagte: ›Nun wirst du gleich deinen Urahnen ein fruchtbarer Vermehrer deines Geschlechts werden, und mehr Körnlein Samen hervorbringen, als jemals einer aus ihnen nicht getan‹; aber kaum hatte sich meine Frechheit mit solcher eingebildeten Hoffnung ein wenig gekitzelt, da mußte ich von vielen Vorübergehenden hören: ›Schauet, was vor ein großer Acker voll Galgenkraut!‹, welches ich und meine Brüder alsobalden vor kein gut Omen vor uns hielten; doch trösteten uns hinwiederum etlicher ehrbaren alten Bauren Reden, wann sie sagten: ›Sehet! was vor ein schöner trefflicher Hanf ist das?‹ Aber leider! wir wurden bald hernach gewahr, daß wir von den Menschen beides, wegen ihres Geizes und ihrer armseligen Bedürftigkeit nit da gelassen würden, unser Geschlecht ferners zu propagieren, allermaßen, als wir bald Samen zu bringen vermeinten, wir von underschiedlichen starken Gesellen

Seiten