Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 334)

gefertigt, alldorten gekauft und verkauft und dem weiblichen Geschlecht übergeben, welche mich auch zu zartem Garn machten, und mich unter solcher Arbeit gleichsam all Augenblick küßten und leckten; also daß ich mir einbilden müßte, alles mein Leiden würde dermaleins sein Endschaft erreicht haben; aber kurz hernach wurde ich gewaschen, gewunden, dem Weber unter die Händ geben, gespult, mit einer Schlicht gestrichen, an Weberstuhl gespannet, geweben und zu ­einem feinen holländischen Leinwad gemacht, folgends gebleicht und einem Kaufherrn verkauft, welcher mich wiederum ellenweis verhandelte; bis ich aber so weit kam, erlitte ich viel Abgang; das erste und gröbste Werg so von mir abgieng, wurde zu Lundren gesponnen, in Kuhedreck gesotten und hernach verbrannt; aus dem andern Abgang spannen die alte Weiber ein grobes Garn, welches zu Zwilch und Sacktaffet geweben wurde; der dritte Abgang gab ein ziemlich grobes Garn, welches man Bärtlengarn nennet, und doch vor hänfin verkauft wurde; aus dem vierten Abgang wurde zwar ein Spinnergarn und Tuch gemacht, es mochte mir aber nicht gleichen, geschweige jetzt der gewaltigen Säuler, die aus meinen Kameraden, den andern Hanfstengelen (daraus man Schleißhanf machte) zugerichtet wurden. Also daß mein Geschlecht den Menschen trefflich nutz, ich auch beinahe nicht erzählen kann, was ein und anders vor Gewinn von denselbigen schöpfet; den letzten Abgang litte ich selbst, als der Weber ein paar Knäul Garn von mir nach den diebischen Mäusen warfe.

Von obgemeldtem Kaufherren erhandelte mich eine Edelfrau, welche das ganze Stück Tuch zerschnitte und ihrem Gesind zum neuen Jahr verehrete; da wurde derjenige Partikul davon ich mehrenteils meinen Ursprung hab, der Kammermagd zuteil, welche ein Hemd daraus machte, und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich, daß es nicht alle Jungfern seind, die man so nennet, dann nicht allein der Schreiber, sonder auch der Herr selbsten wußten sich bei ihr zu behelfen, weil sie nicht häßlich war; solches hatte aber die Läng keinen Bestand, dann die Frau sahe einsmals selbsten, wie ihre Magd ihre Stell vertratt; sie bollert aber deswegen drum nicht so gar greulich, sondern tät als eine vernünftige Dame, zahlte ihre Magd aus und gab ihr einen freundlichen Abschied; dem Junkern aber gefiele es nicht beim besten, daß ihm solch Fleisch aus den Zähnen gezogen wurde, sagte derowegen zu seiner Frauen, warum sie diese Magd abschaffe, die doch ein so hurtig, geschicktes und fleißigs Mensch seie; sie aber antwortet: ›Lieber Junker, seid nur ohnbekümmert, ich will hinfort ihre Arbeit schon selber versehen.‹

Hierauf begab sich meine Jungfer mit ihrer Bagage, darunter ich ihr bestes Hemd war, in ihre Heimat nach Cammerich, und brachte einen ziemlichen schweren Beutel mit sich, weil sie vom Herrn und der Frauen ziemlich viel verdienet und solchen ihren Lohn fleißig zusammengespart hatte; daselbst fande sie keine so fette Küchen als sie eine verlassen müssen, aber wohl etliche Buhler, die sich in sie vernarreten, und ihr beides, zu wäschen und zu nähen brachten, weil sie ein Profession daraus machte und sich damit zu ernähren gedachte; under solchen war ein junger Schnauzhahn, dem sie das Seil über die Hörner warf, und sich

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