Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 343)

welchen etliche Kinder lieffen, die ihn Vatter nenneten, weswegen ich mich dann verwundern mußte, dann ich wußte noch nicht, daß solche Söhn darum so jung heiraten, damit sie desto ehender Staatspersonen abgeben, und desto früher auf die Präfekturen gesetzt werden möchten; dieser sahe mich vor etlichen Türen bettlen, und da ich mit einem tiefen Bückling (dann ich konnte keinen Hut vor ihm abziehen, weil ich barhauptig gieng) bei ihm verüber passieren wollte, ohne daß ich etlicher unverschämten Bettler Brauch nach ihn auf der Gassen angeloffen hätte, griffe er in Sack, und sagte: »Ha, warum forderst mir kein Almosen; seh hier, da hast du auch ein Lutzer.« Ich antwortet: »Herr, ich konnte mir leicht einbilden, daß Er kein Brodt bei sich trägt, drum hab ich Ihn auch nicht bemühet; so trachte ich auch nicht nach Geld, weil den Bettlern solches zu haben nicht gebührt.« Indessen sammlete sich ein Umstand von allerhand Personen, dessen ich dann schon wohl gewohnt war; er aber antwortet mir: »Du magst mir wohl ein stolzer Bettler sein, wann du das Geld verschmähest.« »Nein Herr, Er belieb mir zu glauben sagte ich, »daß ich dasselbe darum verachte, damit es mich nicht stolz machen soll«; er fragte: »Wo willst du aber herbergen, wann du kein Geld hast?« Ich antwortet: »Wann mir Gott und gute Leut gönnen, unter diesem Schopf mein Ruhe zu nehmen, die ich jetzt trefflich wohl bedarf, so bin ich schon versorgt und wohl content.« Er sagte: »Wann ich wüßte, daß du keine Läuse hättest, so wollte ich dich herbergen und in ein gut Bett legen. Ich hingegen antwortet, ich hätte zwar so wenig Läus als Heller, wüßte aber gleichwohl nicht, ob mir ratsam wär, in einem Bett zu schlafen, weil mich solches verleckern, und von meiner Gewohnheit hart zu leben, abziehen möchte; mitdem kam noch ein feiner reputierlicher alter Herr daher, zu dem sagte der Junge: »Schauet um Gottes willen einen andern Diogenem Cynicum!« »Ei, ei, Herr Vetter«, sagt der Alte »was redet Ihr, hat er dann schon jemand angebollen oder gebissen? gebt ihm davor ein Almosen und laßt ihn seins Wegs gehen.« Der Junge antwortet: »Herr Vetter, er will kein Geld, auch sonst nichts annehmen, was man ihm Guts tun will«; erzählte dem Alten darauf alles was ich geredt und getan hatte. »Ha«, sagt der Alt, »viel Köpf, viel Sinn«; gab darauf seinen Dienern Befelch, mich in ein Wirtshaus zu führen, und dem Wirt gutzusprechen vor alles, was ich dieselbe Nacht verzehren würde; der Junge aber schriee mir nach, ich sollte bei Leib und Leben morgen frühe wieder zu ihm kommen, er wollte mir ein gute kalte Küch mit auf den Weg geben.

Also entranne ich aus meinem Umstand, da man mich mehr gehetzt, als ich beschreibe; kam aber aus dem Fegfeur in die Höll, dann das Wirtshaus stack voller trunkner und toller Leute, die mir mehr Dampfs antäten als ich noch nie auf meiner Pilgerschaft erfahren; jeder wollte wissen wer ich wäre; der eine sagte ich wäre ein Spion oder Kundschafter, der ander sagte ich

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