Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 345)

antwortet: »Mein Freund, sagt Eurem Herrn wiederum, ich seie ein Ball des wandelbaren Glücks, ein Exemplar der Veränderung, und ein Spiegel der Unbeständigkeit des menschlichen Wesens; daß ich aber so im Ungewitter wandele, bedeute nichts anders, als daß mich seit es zu regnen angefangen, noch niemand zur Herberg eingenommen«; als der Diener solches seinem Herrn wieder hinderbrachte, sagte er: »Dies seind keine Wort eines Narren; zudem ists gegen Nacht, und so ellend Wetter daß man keinen Hund hinausjagen sollte«, ließe mich derowegen ins Schloß und in die Gesindstuben führen, allwo ich meine Füße wusch, und meinen Rock wieder trocknete.

Dieser Cavallier hatte einen Kerl, der war sein Schaffner, seiner Kinder Präzeptor und zugleich sein Schreiber, oder wie sie jetzt heißen wollen, sein Secretarius; der examinierte mich woher, wohin, was Lands und was Stands? ich aber bekannt ihm alles wie mein Sach beschaffen, wo ich nämlich haushäblich, und auch als Einsiedler gewohnet, und daß ich nunmehr willens wäre, die heilige Örter hin und wieder zu besuchen; solches alles hinterbrachte er seinem Herrn wiederum; derowegen ließe mich derselbe beim Nachtessen an seine Tafel sitzen, da ich nit übel traktiert wurde und auf des Schloßherrn Begehren alles wiederholen mußte, was ich zuvor seinem Schreiber von meinem Tun und Wesen erzählt hatte; er fragte auch allen Partikularitäten so genau nach, als wann er auch dort zu Haus gewesen wäre; und da man mich schlafen führte, gieng er selbsten mit dem Diener der mir vorleuchte, und führte mich in ein solch wohlgerüstes Gemach, daß auch ein Graf darin hätte verliebnemmen könne; über welche allzu große Höflichkeit ich mich verwunderte und mir nichts anders einbilden konnte, als täte [er] solches gegen mir aus lauter Andacht, weil ich meiner Einbildung nach das Ansehen eines gottseligen Pilgers hätte; aber es stack ein ander Que dahinter, dann da er mit dem Liecht und seinem Diener unter die Tür kam, ich mich auch bereits gelegt hatte, sagte er: »Nun wohlan Herr Simplici! Er schlafe wohl; ich weiß zwar, daß Er keine Gespenst zu förchten pflegt, aber ich versichere Ihn, daß diejenige so in diesem Zimmer gehen, sich mit keiner Karbatsch verjagen lassen«; damit schloß er das Zimmer zu und ließe mich in Sorg und Angst liegen.

Ich gedachte hin und her und konnte lang nit ersinnen, woher mich dieser Herr kennen müßte, oder gekannt haben möchte, daß er mich so eigentlich mit meinem vorigen Namen nennete; aber nach langem Nachdenken fiele mir ein, daß ich einsmals, nachdem mein Freund Herzbruder gestorben, im Sauerbrunnen von den Nachtgeistern mit etlichen Cavallieren und Studenten zu reden kommen, unter welchen zween Schweizer, so Gebrüder gewesen, Wunder erzählt, welchergestalt es in ihres Vattern Hause nicht nur bei Nacht, sonder auch oft bei Tag rumore, denen ich aber Widerpart gehalten, und mehr als vermessen behauptet, daß derjenige so sich vor Nachtgeistern förchte, sonst ein faiger Tropf sei; darauf sich der eine aus ihnen weiß angezogen, sich bei Nacht in mein Zimmer praktiziert und angefangen zu rumpeln, der Meinung mich zu ängstigen und alsdann, wann ich mich entsetzen, und

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