Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 347)
auf den Stuhl zu setzen; da kann jeder wohl denken wie mir die Katz den Rucken hinaufgeloffen; ich hielte die Decke fest und sagte: »Ihr Herrn, was wollt ihr, was habt ihr mich zu scheren? ich bin ein armer Pilger, der sonst nichts als seine eigne Haar hat, seinen Kopf beides vor Regen, Wind und Sonnenschein zu beschirmen; zudem siehe ich euch auch vor kein Scherergesindel an, drum laßt mich ungeschoren.« Darauf antwortet der Vornehmste: »Wir seind freilich Erzschärer, aber du kannst uns helfen, mußt uns auch zu helfen versprechen, wann du anderst ungeschorn bleiben willst.« Ich antwortet: »Wann euer Hilf in meiner Macht stehet, so versprech ich zu tun alles was mir müglich und zu euer Hilf vonnöten sei; werdet mir derowegen sagen, wie ich euch helfen soll.« Hierauf sagte der Alte: »Ich bin des jetzigen Schloßherrn Urähne gewesen, und hab mit meinem Vettern von Geschlecht N. um zwei Dörfer N. N., die er recht mäßig inhatte, einen unrechtmäßigen Hader angefangen und durch Arglist und Spitzfindigkeit die Sach dahin gebracht, daß diese drei zu unsern willkürlichen Richtern erwählet wurden, welche ich sowohl durch Verheißung als Bedrohung dahin brachte, daß sie mir bemeldte beide Dörfer zuerkannten; darauf fienge ich an, denselbigen Untertanen dergestalt zu scheren, schrepfen und zwacken, daß ich ein merklich Stück Geld zusammenbrachte; solches nun liegt in jenem Eck und ist bisher mein Schärzeug gewesen, damit mir meine Schärerei wiedergolten werde; wann nun dies Geld wieder unter die Menschen kommt (dann beide Dorfschaften seind gleich nach meinem Tod wieder an ihre rechtmäßige Herrn gelangt), so ist mir so weit geholfen als du mir helfen kannst, wann du nämlich diese Beschaffenheit meinem Urenkel erzählest; und damit er dir desto besseren Glauben zustelle, so lasse dich morgen in den sogenannten grünen Saal führen, da wirst du mein Conterfait finden; vor demselben erzähle ihm, was du von mir gehört hast.« Da er solches vorbracht hatte; streckt er mir die Hand dar, und begehrte, ich sollte ihm mit gegebener Handtreu versichern, daß ich solches alles verrichten wollte; weil ich aber vielmal gehört hatte, daß man keinem Geist die Hand geben sollte, streckte ich ihm den Zipfel vom Leilachen dar, das brannt alsobald hinweg soweit ers in die Hand kriegte; die Geister aber trugen ihre Scherrinstrumenten wieder an vorigs Ort, deckten den Stein wieder drüber, stellten auch den Stuhl hin wie er zuvor gestanden, und giengen wieder nacheinander zum Zimmer hinaus; indessen schwitzte ich wie ein Braten beim Feur, und war doch noch so kühn in solcher Angst einzuschlafen.
Das 16. Kapitel
Wie der Pilger wiederum aus dem Schloß abscheidet.
Es war schon ziemlich lang Tag gewesen, als der Schloßherr mit seinem Diener wieder vor mein Bette kam. »Wohl! Herr Simplici«, sagte er, »wie hats Ihm heint nacht zugeschlagen? hat Er keine Karbatsch vonnöten gehabt?« »Nein Monsieur«, antwortet ich, »diese so hierinnen zu wohnen pflegen, brauchtens nicht wie derjenige so mich im Sauerbrunnen foppen wollte.« »Wie ists aber abgangen?« fragte er weiters, »förchtet Er sich noch nicht vor den Geistern?« Ich antwortet: »Daß es