Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 350)

ich nicht glauben wollen; batte mich mithin zugleich um Verzeihung und obligierte sich die Tag seines Lebens mein getreuer Freund und Diener zu sein.

Als ich nun wiederum allerdings gesund geworden und meinen Weg ferner nehmen wollte, offerierte er mir die Pferd, Kleidung und ein Stück Geld zur Zehrung; weil ich aber alles rund abschlug, wollte er mich auch nicht hinweglassen, mit Bitt, ich wollte ihn doch nicht zum allerundankbarsten Menschen in der Welt machen, sondern aufs wenigst ein Stück Geld mit auf den Weg annehmen, wann ich je in solchem armseligen Habit meine Wallfahrt zu vollenden bedacht wäre. »Wer weiß«, sagte er, »wo es der Herr bedarf?« Ich mußte lachen, und sagte: »Mein Herr, es gibt mich wunder, wie Er mich einen Herrn nennen mag, da Er doch siehet, daß ich mit Fleiß ein armer Bettler zu verbleiben suche.« »Wohl,« antwortet er, »so verbleibe Er dann Sein Lebtag bei mir, und nehme Sein Almosen täglich an meiner Tafel.« »Herr«, sagte ich hingegen, »wann ich solches tät, so wäre ich ein größerer Herr als Er selbsten; wie würde aber alsdann mein tierlicher Leib bestehen, wann er so ohne Sorg wie der reiche Mann auf den alten Kaiser hineinlebte, würden ihn so gute Tage nicht gumpen machen? will mein Herr mir aber je eine Verehrung tun, so bitte ich Er lasse mir meinen Rock füttern, weil es jetzt auf den Winter losgehet.« »Nun gottlob«, antwortet er, »daß sich gleichwohl etwas findet meine Dankbarkeit zu bezeugen«, darauf ließe er mir einen Schlafbelz geben, bis mein Rock gefüttert wurde, welches mit wüllenem Tuch geschahe, weil ich kein ander Futer annehmen wollte; als solches geschehen, ließe er mich passieren und gab mir etliche Schreiben mit, selbige unterwegs an seine Verwandte zu bestellen, mehr mich ihnen zu rekommendieren als daß er viel Nötigs zu berichten gehabt hätte.

Das 17. Kapitel

Wasmaßen er über das Mare mediterraneum in Ägypten fährt und an das Rote Meer verführt wird.

Also wandert ich dahin, des Vorsatzes die allerheiligste und berühmteste Örter der Welt in solchem armen Stand zu besuchen, dann ich bildete mir ein daß Gott einen sonderbaren gnädigen Blick auf mich geworfen, ich gedachte er hätte ein Wohlgefallen an meiner Gedult und freiwilligen Armut, und würde mir derowegen wohl durchhelfen, wie ich dann in gemeldtem Schlosse dessen göttliche Hilf und Gnad handgreiflich verspürt und genossen; in meiner ersten Nachtherberg gesellete sich ein Lauferbotte zu mir, der vorgab, er seie bedacht eben den Weg zu gehen, den ich vor mir hätte, nämlich auf Loretten; weilen ich nun den Weg nicht wußte noch die Sprach recht verstunde, er aber vorgab, daß er kein sonderlicher schneller Laufer wäre, wurden wir eins, beieinander zu bleiben und einander Gesellschaft zu leisten; dieser hatte gemeiniglich auch an den Enden zu tun, wo ich meines Schloßherrn Schreiben abzulegen hatte, allwo man uns dann fürstlich traktierte; wann er aber in einem Wirtshaus einkehren mußte, nötigte er mich zu ihm und zahlte vor mich aus, welches ich die Länge nicht annehmen wollte, weil mich däuchte, ich würde ihm auf

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