Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 352)
nach Gelegenheit um, über das Mittelländische Meer zu kommen; trafen auch auf geringe Nachfrag gleich ein geladen Schiff an, welches fertig stunde mit Kaufmannsgütern nach Alexandriam zu fahren, und nur auf gute Wind wartete; ein wunderlichs, ja göttlichs Ding ist ums Geld bei den Weltmenschen! der Patron oder Schiffherr hätte mich meines ellenden Aufzugs halber nit angenommen, wann ich gleich eine güldene Andacht, und hingegen nur bleiern Geld gehabt hätte, dann da er mich das erstemal sahe und hörete, schlug er mein Begehren rund ab; sobald ich ihm aber eine Handvoll Dukaten wiese, die zu meiner Reis employiert werden sollen, war der Handel ohn einigs ferners Bitten bei ihm schon richtig, ohne daß wir sich um den Schifflohn miteinander verglichen, warauf er mich selber instruierte, mit was vor Proviant und andern Notwendigkeit ich mich auf die Reis versehen sollte; ich folgte ihme wie er mir geraten, und fuhr also in Gottes Namen mit ihm dahin.
Wir hatten auf der ganzen Fahrt Ungewitters oder widerwärtigen Windes halber keine einzige Gefahr, aber den Meerräubern, die sich etlichemal merken ließen und Mienen machten uns anzugreifen, mußte unser Schiffherr oft entgehen, maßen er wohl wußt, daß er wegen seines Schiffs Geschwindigkeit mehr mit Flucht, als sich zu wehren gewinnen könnte; und also langten wir zu Alexandria an, ehender als sichs alle Seefahrer auf unserem Schiff versehen hatten, welches ich vor ein gut Omen hielte, meine Reis glücklich zu vollenden. Ich bezahlte mein Fracht und kehrte bei den Franzosen ein, die alldorten jeweils sich aufzuhalten pflegen, von welchen ich erführ, daß vor diesmal meine Reis nach Jerusalem fortzusetzen ohnmüglich seie, indem der türkische Bassa zu Damasco eben damals in armis begriffen und gegen seinem Kaiser rebellisch war, also daß keine Karawane, sie wäre gleich stark oder schwach gewesen, aus Ägypten in Judäam passieren mögen, sie hätte sich dann freventlich alles zu verlieren in Gefahr geben wollen.
Es war damals eben zu Alexandria, welches ohnedas ein ungesunden Luft zu haben pflegt, eine giftige Contagion eingerissen, weswegen sich viel von da anderwärtlichen hin retirierten, sonderlich europäische Kaufleut, so das Sterben mehr förchten als Türken und Araber; mit einer solchen Compagnia begab ich mich über Land auf Rosseten, einen großen Flecken am Nilo gelegen; daselbst saßen wir zu Schiff und fuhren auf dem Nilo mit völligem Segel aufwärts, bis an ein Ort so ohngefähr ein Stund Wegs von der großen Stadt Alkayr gelegen, auch Alt-Alkayr genennt wird; und nachdem wir allda schier um Mitternacht ausgestiegen, unsere Herbergen genommen und des Tags erwartet, begaben wir uns vollends nach Alkayr, der jetzigen rechten Stadt, in welcher ich gleichsam allerhand Nationen antrafe; daselbst gibt es auch ebenso vielerlei seltsame Gewächs als Leute; aber was mir am allerseltsamsten vorkam, war dieses, daß die Einwohner hin und wieder in dazu gemachten Öfen viel hundert junge Hühner ausbrüteten, zu welchen Eiern nit einmal die Hennen kamen, seit sie solches gelegt hatten, und solchem Geschäft warten gemeiniglich alte Weiber ab.
Ich hab zwar niemalen keine so große volkreiche Stadt gesehen, da es wohlfeiler zu zehren als eben an