Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 351)

solche Weis seinen Lohn, den er so säurlich verdienen mußte, verschwenden helfen; er aber sagte, er genieße meiner auch, wo ich Schreiben zu bestellen habe, also wo er meinetwegen schmarotzen, und sein Geld sparen können; solchergestalt überwanden wir das hohe Gebürg und kamen miteinander in das fruchtbare Italia, da mir mein Gefährt ererst erzählete, daß er von obgedachten Schloßherren abgefertigt wäre mich zu begleiten und zehrfrei zu halten, batte mich derowegen, daß ich ja bei ihm verliebnehmen, und das freiwillige Almosen das mir sein Herr nachschickte, nit verschmähen, sonder lieber als dasjenige genießen wollte, das ich ererst von allerhand ohnwilligen Leuten erpressen müßte; ich verwundert mich über dieses Herren redlich Gemüt, wollte aber drum nicht, daß der verstellte Bott länger bei mir bleiben, noch etwas mehrers vor mich auslegen sollte; mit Vorwand, daß ich allbereit mehr als zu viel Ehr und Guttaten von ihme empfangen, die ich nicht zu widergelten getraute; in Wahrheit aber hatte ich mir vorgesetzt, allen menschlichen Trost zu verschmähen, und in niedrigster Demut, Kreuz und Leiden mich allein an den lieben Gott zu lassen; ich hätte auch von diesem Gefährten weder Wegweisung noch Zehrung angenommen, wann mir bekannt gewest, daß er zu solchem End abgefertigt worden wäre.

Als er nun sahe, daß ich kurzrund seine Beiwohnung nicht mehr haben wollte, sonder mich von ihm wandte, mit Bitt seinen Herren meinetwegen zu grüßen, und ihm nachmalen vor alle erzeigte Wohltaten zu danken, nahm er einen traurigen Abscheid und sagt: »Nun wohlan dann, werter Simplici, ob Ihr zwar jetzt nicht glauben möchtet, wie herzlich gern Euch mein Herr guts tun möchte, so werdet Ihrs jedoch erfahren, wann Euch das Futer im Rock zerbricht, oder Ihr denselben sonst ausbessern wollt«; und damit gieng er davon als wann ihn der Wind hinjagte.

Ich gedachte: »Was mag der Kerl mit diesen Worten andeuten; ich will ja nimmermehr glauben, daß seinen Herren dies Futer reuen werde; nein Simplici«, sagte ich zu mir selbst, »er hat diesen Botten ein so weiten Weg auf seinen Kosten nicht geschickt, mir ererst hier aufzurupfen, daß er meinen Rock füttern lassen, es stecket etwas anders dahinder«; wie ich nun den Rock visitierte, befand ich daß er unter die Näht eine Dukat an die ander hatte nähen lassen, also daß ich ohne mein Wissen ein groß Stück Geld mit mir davongetragen; davon wurde mir mein Gemüt ganz unruhig, also daß ich gewollt, er hätte das Seinig behalten; ich machte allerhand Gedanken, worzu ich solches Geld anlegen und gebrauchen wollte, bald gedachte ichs wieder zuruckzutragen, und bald vermeinte ich wieder eine Haushaltung damit anzustellen, oder mir irgend eine Pfrund zu kaufen; aber endlich beschlosse ich, durch solche Mittel Jerusalem zu beschauen, welche Reis ohne Geld nicht zu vollbringen.

Demnach begab ich mich den geraden Weg auf Loretten und von dannen nach Rom; als ich mich daselbst ein Zeitlang aufgehalten, meine Andacht verrichtet und Kundschaft zu etlichen Pilgern gemacht hatte, die auch gesinnet waren, das Heilig Land zu beschauen, gieng ich mit einem Geneser aus ihnen in sein Vatterland; daselbst sahen wir sich

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