Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 355)
ausgestanden Ellend zugestellt, aus dem andern aber diejenige Personen so mit mir gefangen und verkauft worden, wieder ausgelöset werden sollten; dies Urtel wurde nicht allein offentlich ausgesprochen sonder auch alsobald vollzogen, wardurch mir neben meiner Freiheit mein Rock und ein schöne Summa Gelds zustunde.
Als ich nun meiner Ketten, daran mich die Mausköpf wie einen wilden Mann herumgeschleppt, entledigt, mit meinem alten Rock wiederum bekleidet, und mir das Geld, das mir der Bassa zuerkannt, eingehändigt worden, wollte mich einer jeden europäischen Nation Vorsteher oder Resident mit sich heimführen; die Holländer zwar darum, weil sie mich vor ihren Landsmann hielten, die übrige aber, weil ich ihrer Religion zu sein schiene; ich bedankte mich, gegen allen, vornehmlich aber darum, daß sie mich gesamter Hand so christlich aus meiner zwar närrischen, aber doch gefährlichen Gefangenschaft entledigt hatten, und bedachte anbei, wie ich etwan mein Sach anstellen möchte, weil ich nunmehr auch wider meinen Willen und Hoffnung wiederumben viel Geld und Freund bekommen hatte.
Das 19. Kapitel
Simplicius und der Zimmermann kommen mit dem Leben davon und werden nach dem erlittenen Schiffbruch mit einem eignen Land versehen.
Meine Landsleut sprachen mir zu, daß ich mich anders kleiden ließe, und weil ich nichts zu tun hatte, machte ich Kundschaft zu allen Europäern, die mich beides, aus christlicher Liebe und meiner wunderbarlichen Bezeugnus halber gern um sich hatten und oft zu Gast luden; und demnach sich schlechte Hoffnung erzeigte, daß der damascenische Krieg in Syria und Judäa bald ein Loch gewinnen würde, damit ich meine Reis nach Jerusalem wiederum vornemmen und vollenden möchte, wurde ich anders Sinns, und entschloß mich mit einer großen portugesischen Kracke (so wegfertig stunde, mit Kaufmannschatz nach Haus zu fahren) in Portugal zu begeben, und anstatt der Wallfahrt nach Jerusalem S. Jacob zu Compostel zu besuchen, nachgehends aber mich irgends in Ruhe zu setzen, und dasjenige so mir Gott beschert, zu verzehren; und damit solches ohne meinen sonderen Kosten (dann sobald ich so viel Geld kriegte, fieng ich an zu kargen) beschehen könnte, überkam ich mit dem portugesischen Oberkaufmann auf dem Schiff, daß er alles mein Geld annehmen, selbigs in seinen Nutzen verwenden, mir aber solches in Portugal wieder zustellen, und interim anstatt Interesse mich auf das Schiff an seine Tafel nehmen, und mit sich nach Haus führen sollte; dahingegen sollte ich mich zu allen Diensten zu Wasser und Land wie es die Gelegenheit und des Schiffs Notdurft erfordern würde, unverdrossen gebrauchen lassen; also machte ich die Zech ohne den Wirt, weil ich nicht wußte, was der liebe Gott mit mir zu verschaffen vorhatte; und nahm ich diese weite und gefährliche Reis um soviel desto begieriger vor, weil die verwichne auf dem Mittelländischen Meer so glücklich abgangen.
Als wir nun zu Schiff gangen, vom Sinu Arabico oder Roten Meer auf den Oceanum kommen und erwünschten Wind hatten, nahmen wir unsern Lauf, das Caput bonae speranzae zu passiern, segelten auch etliche Wochen so glücklich dahin, daß wir uns kein ander Wetter hätten wünschen können; da wir aber vermeinten, nunmehr bald gegen der Insul Madagaskar über zu