Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 356)
sein, erhube sich gähling eine solch Ungestümme, daß wir kaum Zeit hatten die Segel einzunehmen, solche vermehrte sich je länger je mehr, also daß wir auch die Mast abhauen und das Schiff dem Willen und Gewalt der Wellen lassen mußten; dieselbe führten uns in die Höhe gleichsam an die Wolken, und im Augenblick senkten sie uns wiederum bis auf den Abgrund hinunder, welches bei einer halben Stund währete und uns trefflich andächtig betten lernet; endlich warfen sie uns auf eine verborgene Steinklippe mit solcher Stärke, daß das Schiff mit grausamen Krachen zu Stücken zerbrach, warvon sich ein jämmerlichs und ellendes Geschrei erhub; da wurde dieselbe Gegend gleichsam in einem Augenblick mit Kisten, Ballen und Trümmern vom Schiff überstreut; da sahe und hörete man hie und dort oben auf den Wellen und unten in der Tiefe die unglückselige Leut an denjenigen Sachen hangen, die ihnen in solcher Not am allerersten in die Hände geraten waren, welche mit ellendem Geheul ihren Untergang bejammerten, und ihre Seelen Gott befohlen; ich und ein Zimmermann lagen auf einem großen Stück vom Schiff, welches etliche Zwerchhölzer behalten hatte, daran wir sich festhielten und einander zusprachen; mithin legten sich die grausame Wind allgemach, davon die wütende Wellen des zornigen Meers sich nach und nach besanftigten und geringer wurden; hingegen aber folgte die stickfinstere Nacht mit einem schröcklichen Platzregen, daß es das Ansehen hatte, als hätten wir mitten im Meer von oben herab ersauft werden sollen; das währete bis um Mitternacht, in welcher Zeit wir große Not erlitten hatten; darauf wurde der Himmel wieder klar, also daß wir das Gestirn sehen konnten, an welchem wir vermerkten, daß uns der Wind je länger je mehr von der Seiten Africae in das weite Meer gegen Terram Australem incognitam hineintriebe, welches uns beide sehr bestürzt machte; gegen Tag wurde es abermal so dunkel, daß wir einander nicht sehen konnten wiewohl wir nahe beieinander lagen; in dieser Finsternus und erbärmlichen Zustand trieben wir immer fort, bis wir ohnversehens innenwurden, daß wir auf dem Grund sitzenblieben und stillhielten; der Zimmermann hatte ein Axt in seinem Gürtel stecken damit visitiert er die Tiefe des Wassers und fande auf der einen Seiten nicht wohl Schuh tief Wassers, welches uns herzlich erfreute und ohnzweifeliche Hoffnung gabe, Gott hätte uns irgends hin an Land geholfen, das uns auch ein lieblicher Geruch zu verstehen gab, den wir empfanden, als wir wieder ein wenig zu uns selbst kamen; weil es aber so finster und wir beide ganz abgemattet, zumalen des Tags ehistes gewärtig waren, hatten wir nicht das Herz sich ins Wasser zu legen und solches Land zu suchen, ohnangesehen wir allbereit weit von uns etliche Vögel singen zu hören vermeinten, wie es dann auch nicht anders war; sobald sich aber der liebe Tag im Osten ein wenig erzeigte, sahen wir durch die Düstere ein wenig Land mit Böschen bewachsen allernächst vor uns liegen, derowegen begaben wir sich alsobalden gegen demselbigen ins Wasser, welches je länger je seichter wurde, bis wir endlich mit großen Freuden auf das truckene Land