Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 357)

kamen; da fielen wir nieder auf die Knie, küßten den Erdboden und dankten Gott im Himmel, daß er uns so vätterlich erhalten und ans Land gebracht hatte; und solchergestalt bin ich in diese Insul kommen.

Wir konnten noch nicht wissen, ob wir auf einem bewohnten oder unbewohnten, auf einem festen Land, oder nur auf einer Insul waren; aber das merkten wir gleich, daß es ein trefflicher fruchtbarer Erdboden sein müßte, weil alles vor uns gleichsam so dick wie ein Hanfacker mit Büschen und Bäumen bewachsen war, also daß wir kaum dadurch kommen konnten; als es aber völlig Tag worden, und wir etwan ein Viertelstund Wegs vom Gestad an durch die Büsche geschloffen, und der Orten nicht allein keine einzige Anzeigung einiger menschlichen Wohnung verspüren konnten, sonder noch dazu hin und wieder viel fremde Vögel, die sich gar nichts vor uns scheuten, ja mit den Händen fangen ließen, antrafen, konnten wir ohnschwer erachten, daß wir auf einer zwar ohnbekannten, aber jedoch sehr fruchtbaren Insul sein müßten; wir fanden Zitronen, Pomeranzen und Kokos, mit welchen Früchten wir sich trefflich wohl erquickten, und als die Sonne aufgienge, kamen wir auf eine Ebne, welche überall mit Palmen (davon man den Vin de Palm hat) bewachsen war; welches meinen Kameraden, der denselbigen nur viel zu gern trank, auch mehr als zuviel erfreute; daselbsthin setzten wir sich nieder an die Sonne, unsere Kleider zu trücknen, welche wir auszogen, und zu solchem End an die Bäum aufhängten, vor uns selbst aber in Hemdern herumspazierten; mein Zimmermann hieb mit seiner Axt in einem Palmitenbaum, und befande daß sie reich von Wein waren; wir hatten aber drum kein Geschirr solchen aufzufangen, wie wir dann auch beide unsere Hüt im Schiffbruch verlorn.

Als die liebe Sonne nun unsere Kleider wieder getrücknet, zogen wir selbige an und stiegen auf das felsechtige hohe Gebürg, so auf der rechten Hand gegen Mitternacht zwischen dieser Ebne und dem Meer liegt, und sahen sich um, befanden auch gleich, daß wir auf keinen festen Landen, sonder nur in dieser Insul waren, welche im Umkreis über anderthalbe Stund Gehens nicht begriffe; und weil wir weder nahe noch fern keine Landschaft, sonder nur Wasser und Himmel sahen, wurden wir beide betrübt und verluren alle Hoffnung, inskünftig wiederum Menschen zu sehen; doch tröstete uns hinwiederum, daß uns die Güte Gottes an diesen gleichsam sichern, und allerfruchtbarsten, und nicht an einen solchen Ort gesendet hatte, der etwan unfruchtbar, oder mit Menschenfressern bewohnet gewesen wäre; darauf fiengen wir an zu gedenken was uns zu tun oder zu lassen sein möchte; und weil wir gleichsam wie Gefangne in dieser Insul beieinander leben mußten, schwuren wir einander beständige Treu; das besagte Gebürg saße und flohe nicht allein voller Vögel von unterschiedlichen Geschlechten, sonder es lag auch so voll Nester mit Eiern, daß wir sich nicht genugsam darüber verwundern konnten; wir tranken deren Eier etliche aus, und nahmen noch mehr mit uns das Gebürg herunter, an welchem wir die Quell des süßen Wassers fanden, welches sich gegen Osten so stark, daß es wohl ein geringes Mühlrad

Seiten