Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 359)
den Wein von Palmen hineinzufangen und seiner Art nach verjähren zu lassen, damit wir ihn recht genießen könnten, und in solchem Gespräch so am Ufer herumspazierten, sahen wir auf der Weite des Meers etwas dahertreiben, welches wir in der Ferne nit erkennen konnten, wiewohl es größer schiene als es an sich selbsten war; dann nachdem es sich nähret und an unserer Insul gestrandet; war es ein halbtotes Weibsbilde, welches auf einer Kisten lag, und beide Hände in die Handhaben an der Kisten eingeschlossen hatte; wir zogen sie aus christlicher Liebe auf trucken Land, und demnach wir sie beides, wegen der Kleidung und etlicher Zeichen halber die sie im Angesicht hatte, vor eine Abyssiner Christin hielten, waren wir desto geschäftiger, sie wieder zu sich selbst zu bringen; maßen wir sie, jedoch mit aller Ehrbarkeit, als sich solches mit ehrlichen Weibsbildern in solchen Fällen zu tun geziemt, auf den Kopf stelleten, bis ein ziemliche Menge Wasser von ihr geloffen; und ob wir zwar nichts Lebhaftigs zu ferner Erquickung bei uns hatten, als Zitronen, so ließen wir doch nicht nach, ihro die spiritualische Feuchtigkeit, die sich in den äußersten Enden der Zitronenschällen enthält, unter die Nase zu drücken, und sie mit Schüttlen zu bewegen, bis sie sich endlich von sich selbst regte und portugesisch anfieng zu reden; sobald mein Kamerad solches hörete, und sich in ihrem Angesicht wiederum ein lebhafte Farb erzeigte, sagte er zu mir: »Diese Abyssinerin ist einimal auf unserm Schiff bei einer vornehmen portugesischen Frau eine Magd gewesen, dann ich habe sie beide wohl gekannt, sie seind zu Anacao aufgesessen, und waren willens mit uns in die Insul Annabon zu schiffen.« Sobald jene diesen reden hörete, erzeigete sie sich sehr fröhlich, nennete ihn mit Namen, und erzählte nit allein ihre ganze Reis, sonder auch wie sie so wohl, daß sie und er noch im Leben, als auch, daß sie als Bekannte einander auf trucknem Land und außer aller Gefahr wieder angetroffen hätten; hierauf fragte mein Zimmermann, was wohl vor Waren in der Kisten sein möchten, darauf antwortet sie, es wären etliche chinesische Stück Gewand, etliche Gewehr und Waffen, und dann unterschiedliche so große als kleine porzellanen Geschirr, so in Portugal einem vornehmen Fürsten von ihrem Herrn hätten geschickt werden sollen; solches erfreute uns trefflich, weil es lauter Sachen, deren wir am allermeisten bedürftig waren. Demnach ersuchte sie uns, wir wollten ihro doch solche Leutseligkeit erweisen, und sie bei uns behalten, sie wollte uns gern mit Kochen, Wäschen und andern Diensten als eine Magd an die Hand gehen und uns als ein leibeigne Sklavin untertänig sein, wann wir sie nur in unserem Schutz behalten, und ihr den Lebensunterhalt so gut als es das Glück und die Natur in dieser Gegend bescherte, neben uns mit zu genießen gönnen wollten.
Darauf trugen wir beide mit großer Mühe und Arbeit die Kiste an denjenigen Ort, den wir uns zur Wohnung auserkoren hatten; daselbsten offneten wir sie, und fanden so beschaffene Sachen darinnen, die wir zu unserem damaligen Zustand und Behuef unserer Haushaltung nimmermehr anders hätten