Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 363)

sollte er an demjenigen Ort wo sowohl wir als unsere teuflische Köchin gestrandet, am Ufer des Meers ein Kreuz aufrichten; damit würde er nicht allein ein Gott wohlgefällig Bußwerk verrichten, sonder auch zuwegen bringen, daß künftig der böse Geist, welcher das Zeichen des heiligen Kreuzes scheue, unsere Insul nicht mehr so leichtlich anfallen würde. »Ach«, antwortet er, »nicht nur ein Kreuz in die Niedere sonder auch zwei auf das Gebürg sollen von mir verfertigt und aufgerichtet werden; wann ich nur, o Vatter, deine Huld und Gnad wieder habe, und mich der Verzeihung von Gott getrösten darf«; er gieng in solchem Eifer auch gleich hin und hörete nicht auf zu arbeiten, bis er die drei Kreuz verfertigt hatte, davon wir eins am Strand des Meers und die andere zwei, jedes besonder, auf die höchste Gipfel des Gebürgs mit folgender Inskription aufrichteten:

»Gott dem Allmächtigen zu Ehren und dem Feind des menschlichen Geschlechts zu Vertruß, hat Simon Meron von Lissabon aus Portugal mit Rat und Hilf seines getreuen Freunds Simplicii Simplicissimi, eines Hochteutschen, dies Zeichen des Leidens unsers Erlösers aus christlicher Wohlmeinung verfertigt und hieher aufgerichtet.«

Von da an fiengen wir an etwas gottseliger zu leben als wir zuvor getan hatten, und damit wir den Sabbat auch heiligen und feiern möchten, schnitte ich anstatt eines Kalenders alle Tag eine Kerb auf ein Stecken und am Sonntag ein Kreuz; alsdann saßen wir zusammen und redeten miteinander von heiligen und göttlichen Sachen; und diese Weise mußte ich gebrauchen, weil ich noch nichts ersonnen hatte, mich damit anstatt Papiers und Dinten zu behelfen, dadurch ich etwas Schriftlichs hätte zu unserer Nachricht aufzeichnen mögen.

Hier muß ich zum Beschluß dieses Kapitels einer artlichen Sach gedenken, die uns den Abend als unser feine Köchin von uns abschiede, gewaltig erschröckt und ängstigte, dern wir die erste Nacht nicht wahrgenommen, weil uns der Schlaf wegen überstandener Abmattung und großer Müdigkeit gleich überwunden; es war aber dieses: als wir noch vor Augen hatten, durch was vor tausend List uns der leidige Teufel in Gestalt der Abissinerin verderben wollen, und dannenhero nicht schlafen konnten, sonder lang wachend die Zeit, und zwar mehrenteils im Gebett zubrachten, sahen wir sobald es ein wenig finster wurde, um uns her einen unzähligen Haufen der Liechter im Luft herumschweben, welche auch einen solchen hellen Glanz von sich gaben, daß wir die Früchte an den Baumen vor dem Laub unterscheiden konnten; da vermeinten wir, es wäre abermal ein neuer Fund des Widersachers, uns zu quälen, wurden derowegen ganz still und dusam, befanden aber endlich, daß es eine Art der Johannsfünklein oder Zintwürmlein (wie man sie in Teutschland nennet) waren, welche aus einer sonderbaren Art faulen Holzes entstehen so auf dieser Insul wächst; diese leuchten so hell, daß man sie gar wohl anstatt einer hellbrennenden Kerzen gebrauchen kann; maßen ich nachgehends dies Buch mehrenteils dabei geschrieben; und wann sie in Europa, Asia, und Afrika so gemein wären als hier, so würden die Lichterkrämer schlechte Losung haben.

Das 22. Kapitel

Fernere Folg obiger Erzählung, und wie Simon Meron das Leben samt der

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