Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 365)

in der güldenen Zeit, da der gütige Himmel denselbigen ohne einige Arbeit alles Guts aus der Erde hervorwachsen lassen; gleichwie aber in dieser Welt kein Leben so süß und glückselig ist, das nit bisweilen mit Gall des Leidens verbittert werde, also geschahe uns auch; dann um wieviel sich täglich unser Kuch und Keller besserte, um so viel wurden unsere Kleidungen von Tag zu Tag je länger je blöder, bis sie uns endlich gar an den Leibern verfaulten; das beste vor uns war dieses, daß wir bishero noch niemal keinen Winter, ja nicht die geringste Kälte innenworden, wiewohl wir damal, als wir anfiengen nackend zu werden, meinen Kerbhölzern nach bereits über anderthalbe Jahr auf dieser Insul zugebracht; sonder es war jederzeit Wetter, wie es bei den Europäern in Mai und Junio zu sein pflegt, außer daß es ungefähr im Augusto und etwas Zeit zuvor gewaltig stark zu regnen und zu wittern pflegt; so wird auch allhier von einem Solstitio zum andern Tag und Nacht nicht wohl über fünf Viertelstund länger oder kürzer, als das andermal. Wiewohl wir nun allein sich auf der Insul befanden, so wollten wir doch nicht wie das unvernünftige Viehe nackend, sonder als ehrliche Christen aus Europa bekleidet gehen; hätten wir nur vierfüßige Tier gehabt, so wäre uns schon geholfen gewesen, ihre Bälg zu Kleidung anzuwenden; in Mangel derselbigen aber, zogen wir dem großen Geflügel, als den Walchen und Pingwins die Häut ab und machten uns Niederkleider draus; weil wir sie aber aus Mangel beides, der Instrumenten und zugehörigen Materialien nicht recht auf die Daur bereiten konnten, wurden sie hart, unbequem und zerstoben uns von Leib hinweg, ehe wir sich dessen versehen; die Kokosbaume trugen uns zwar Baumwoll genug, wir konnten sie aber weder weben noch spinnen, aber mein Kamerad, welcher etliche Jahr in Indien gewesen, wiese mir an denen Blättern vornen an den Spitzen ein Ding wie ein scharfer Dorn; wann man selbiges abbricht und am Grad des Blatts hinzeucht, gleichsam wie man mit den Bohnenscheffen, Phaseoli genannt, umgehet, wann man selbige von ihren Gräten gereinigt, so verbleibt an demselbigen spitzigen Dorn ein Faden hangen, so lang als der Grad oder das Blatt ist, also daß man dasselbige anstatt Nadel und Faden brauchen kann; solches gab mir Ursach und Gelegenheit an die Hand, daß ich uns aus denselben Blättern Niederkleider machte, und solche mit obgemeldten Faden ihres eignen Gewächs zusammenstach.

Indem wir nun so miteinander hausten und unser Sach so weit gebracht, daß wir keine Ursach mehr hatten, uns über einige Arbeitseligkeit, Abgang, Mangel oder Trübsal zu beschwern, zechte mein Kamerad im Palmwein immerhin täglich fort wie ers angefangen, und nunmehr gewohnt hatte, bis er endlich Lung und Leber entzündete und ehe ich michs recht versahe, mich, die Insul und den Vin de Palm durch einen frühzeitigen Tod zugleich quittierte; ich begrube ihn so gut als ich konnte, und indem ich des menschlichen Wesen Unbeständigkeit und anders mehr betrachtete, machte ich ihm folgende Grabschrift:

»Daß ich hier, und nicht ins Meer bin worden begraben,

Auch nit in d' Höll, macht

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