Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 367)

war, welcher bei seinen Lebzeiten seine Dukaten dorthin verborgen hatte, der Meinung, wann etwan über kurz oder lang ein Schiff an die Insul kommen würde, daß er alsdann solche wieder erheben, und mit sich davonnehmen wollte; er gab mir auch zu verstehen, daß auf dies wenige Geld, als dadurch er wieder nach Haus zu kommen verhoffet, sich mehr als auf Gott verlassen, wessentwegen er dann mit solcher Unruhe nach seinem Tod büßen, und mir auch wider seinen Willen Ungelegenheit machen müssen; ich nahm auf sein Begehren das Geld heraus, achtete es aber weniger als nichts; welches man mir desto ehender glauben kann, weil ichs auch zu nichts zu gebrauchen wußte; dieses nun war der erste Schröck, den ich einnahm seit ich mich allein befande; aber nachgehends wurde mir wohl von anderen Geistern zugesetzt als dieser einer gewesen; davon ich aber weiters nichts melden, sonder nur noch dieses sagen will, daß ich vermittelst göttlicher Hülf und Gnad dahin kam, daß ich keinen einzigen Feind mehr spürete, als meine eigne Gedanken, die oft gar variabel stunden, dann diese seind nit zollfrei vor Gott, wie man sonst zu sagen pflegt, sonder es wird zu seiner Zeit ihrentwegen auch Rechenschaft gefordert werden.

Damit mich nun dieselbige destoweniger mit Sünden beflecken sollten, beflisse ich mich nit allein auszuschlagen, was nichts taugte, sonder ich gab mir selbst alle Tag ein leibliche Arbeit auf, solche neben dem gewöhnlichen Gebett zu verrichten; dann gleichwie der Mensch zur Arbeit wie der Vogel zum Fliehen geboren ist, also verursacht hingegen der Müßiggang beides, der Seelen und dem Leib ihre Krankheiten, und zuletzt wann mans am wenigsten wahrnimmt, das endlich Verderben; derowegen pflanzte ich einen Garten, dessen ich doch weniger als der Wagen des fünften Rads bedorfte, weilen die ganze Insul nichts anders als ein lieblicher Lustgarten hätte genannt werden mögen; meine Arbeit taugte auch zu sonst nichts, als daß ich eins und anders in ein wohlständigere Ordnung bracht, obwohl manchem die natürliche Unordnung der Gewächse wie sie da untereinander stunden, anmutiger vorkommen sein möchte; und dann daß ich wie obgemeldt, den Müßiggang abschaffte. O wie oft wünschte ich mir, wann ich meinen Leib abgemattet hatte und demselben seine Ruhe geben mußte, geistliche Bücher, mich selbst darin zu trösten, zu ergötzen und aufzubauen, aber ich hatte solche drum nit; demnach ich aber vor diesem von einem heiligen Mann gelesen, daß er gesagt, die ganze weite Welt sei ihm ein großes Buch, darinnen er die Wunderwerke Gottes erkennen, und zu dessen Lob angefrischt werden möchte, als gedachte ich demselbigen nachzufolgen, wiewohl ich, sozusagen, nit mehr in der Welt war; die kleine Insul mußte mir die ganze Welt sein, und in derselbigen ein jedes Ding, ja ein jeder Baum! ein Antrieb zur Gottseligkeit, und eine Erinnerung zu denen Gedanken, die ein rechter Christ haben soll; also! sahe ich ein stachelecht Gewächs, so erinnerte ich mich der Dörnenkron Christi, sahe ich einen Apfel oder Granat, so gedachte ich an den Fall unserer ersten Eltern und bejammert denselbigen; gewanne ich ein Palmwein aus einem Baum, so

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