Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 368)

bildet ich mir vor, wie mildiglich mein Erlöser am Stammen des hl. Kreuzes sein Blut vor mich vergossen; sahe ich Meer oder Berg, so erinnerte ich mich des einen oder andern Wunderzeichens und Geschichten, so unser Heiland an dergleichen Orten begangen; fande ich einen oder mehr Stein so zum Werfen bequem waren, so stellte ich mir vor Augen, wie die Juden Christum steinigen wollten; war ich in meinem Garten, so gedachte ich an das ängstig Gebett am Ölberg, oder an das Grab Christi und wie er nach der Auferstehung Mariae Magdalenae im Garten erschienen, etc. Mit solchen und dergleichen Gedanken hantierete ich täglich; ich aße nie, daß ich nicht an das letzte Abendmahl Christi gedachte; und kochte mir niemal keine Speis, daß mich das gegenwärtige Feur nicht an die ewige Pein der Höllen erinnert hätte.

Endlich fand ich, daß mit Praesiliensaft, deren es underschiedliche Gattung auf dieser Insul gibt, wann solche mit Zitronensaft vermischt werden, gar wohl auf eine Art großer Palmblätter zu schreiben seie, welches mich höchlich erfreute, weil ich nunmehr ordentliche Gebett konzipiern und aufschreiben konnte; zuletzt als ich mit herzlicher Reu meinen ganzen geführten Lebenslauf betrachtete, und meine Bubenstück die ich von Jugend auf begangen, mir selbsten vor Augen stellte, und zu Gemüt führete, daß gleichwohl der barmherzige Gott, unangesehen aller solchen groben Sünden, mich bisher nit allein vor der ewigen Verdammnus bewahrt, sonder Zeit und Gelegenheit geben hatt mich zu bessern, zu bekehren, ihn um Verzeihung zu bitten, und um seine Guttaten zu danken, beschriebe ich alles was mir noch eingefallen, in dieses Buch, so ich von obgemeldten Blättern gemacht, und legte es samt obgedachten meines Kameraden hinderlassenen Dukaten an diesen Ort, damit wann vielleicht über kurz oder lang Leut hieher kommen sollten, sie solches finden und daraus abnehmen könnten, wer etwan hiebevor diese Insul bewohnet; wird nun heut oder morgen, entweder vor oder nach meinem Tod, jemand dies finden und lesen, denselben bitte ich, dafern er etwan Wörter darin antrifft, die einem, der sich gern besserte, nit zu reden geschweige zu schreiben wohl anstehen, er wolle sich darum nit ärgern; sondern gedenken, daß die Erzählung leichter Händel und Geschichten auch bequeme Wort erfordern, solche an Tag zu geben; und gleichwie die Maurraut von keinem Regen leichtlich naß wird, also kann auch ein rechtschaffnes gottseliges Gemüt nicht gleich von einem jedwedern Diskurs, er scheine auch so leichtfertig als er wolle, angesteckt, vergiftet und verderbt werden; ein ehrlich gesinnter christlicher Leser wird sich vielmehr verwundern und die göttliche Barmherzigkeit preisen wann er findet, daß so ein schlimmer Gesell wie ich gewesen, dennoch die Gnad von Gott gehabt, der Welt zu resigniern, und in einem solchen Stand zu leben, darinnen er zur ewigen Glori zu kommen, und die selige Ewigkeit nächst dem heiligen Leiden des Erlösers zu erlangen verhofft, durch ein seligs

 ENDE.

Relation Joan Cornelissen von Harlem

eines Holändischen Schiff-Capitains an

German Schleifheim von Sulsfort

seinen guten Freund, vom

Simplicissimo.

Das 24. Kapitel

Joan Cornelissen, ein holländischer Schiffkapitän, kommt auf die Insul und macht mit seiner Relation diesem

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