Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 40)

sollte ich dann nicht auch auf des Apostels Wort offenherzig schließen dürfen, daß auch nicht jedermann selig werde?

Nächst der Hoffart und dem Geiz, samt deren ehrbaren Anhängen, waren Fressen und Saufen, Huren und Buben bei den Vermöglichen ein tägliche Übung; was mir aber am allererschröcklichsten vorkam, war dieser Greuel, daß etliche, sonderlich Soldatenbursch, bei welchen man die Laster nicht am ernstlichsten zu strafen pflegt, beides, aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gotes selbsten, nur einen Scherz machten. Zum Exempel, ich hörete einsmals einen Ehebrecher, welcher wegen vollbrachter Tat noch gerühmt sein wollte, diese gottlose Wort sagen: »Es tuts dem gedultigen Hahnrei genug, daß er meinetwegen ein Paar Hörner trägt, und wenn ich die Wahrheit bekennen soll, so hab ichs mehr dem Mann zu Leid, als der Frauen zu Lieb getan, damit ich mich an ihm rächen möge.« »O kahle Rach!« antwortet ein ehrbar Gemüt so dabeistunde, »dadurch man sein eigen Gewissen beflecket und den schändlichen Namen eines Ehebrechers überkommt!« »Was Ehebrecher?« antwortet er ihm mit einem höhnischen Gelächter, »ich bin darum kein Ehebrecher, wenn ich schon diese Ehe ein wenig gebogen habe; dies seind Ehebrecher, wovon das sechste Gebot sagt, allwo es verbeut, daß keiner einem andern in den Garten steigen und die Kirschen ehe brechen solle, als der Eigentumsherr!« Und daß solches also zu verstehen seie, erklärte er gleich darauf, nach seinem Teufels-Catechismo, das siebende Gebot, welches diese Meinung deutlicher vorbringe, indem es sagt: »Du solt nicht stehlen«, etc. Solcher Wort trieb er viel, also daß ich bei mir selbst seufzt und gedachte: O gotteslästerlicher Sünder! du nennest dich selbst einen Ehebieger und den gütigen Gott einen Ehebrecher, weil er Mann und Weib durch den Tod voneinander trennet; »Meinest du nicht«, sagt ich aus übrigem Eifer und Verdruß zu ihm, wiewohl er ein Offizier war, »daß du dich mit diesen gottlosen Worten mehr versündigest, als mit dem Ehebruch selbsten?« Er aber antwortet mir: »Du Mauskopf, soll ich dir ein paar Ohrfeigen geben?« Ich glaub auch, daß ich solche dicht bekommen hätte, wenn der Kerl meinen Herrn nicht hätte förchten müssen: Ich aber schwieg still und sahe nachgehends, daß es gar kein seltene Sach war, wenn sich Ledige nach Verehelichten, und Verehelichte nach Ledigen umsahen.

Als ich noch bei meinem Einsiedel den Weg zum ewigen Leben studierte, verwundert ich mich, warum doch Gott seinem Volk die Abgötterei so hochsträflich verbotten? dann ich bildete mir ein, wer einmal den wahren ewigen Gott erkennet hätte, der würde wohl nimmermehr keinen andern ehren und anbeten; schlosse also in meinem dummen Sinn, dies Gebot seie ohnnötig, und vergeblich gegeben worden: Aber ach! ich Narr wußte nicht was ich gedachte, dann sobald ich in die Welt kam, vermerkte ich, daß (dies Gebot ohnangesehen) beinahe jeder Weltmensch einen besonderen Nebengott hatte, ja etliche hatten wohl mehr, als die alte und neue Heiden selbsten; etliche hatten den ihrigen in der Küsten, auf welchen sie allen Trost und Zuversicht setzten; mancher hatte den seinen bei Hof, zu welchem er allen Zuflucht gestellt, der doch nur ein Favorit, und

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