Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 42)

Insecta zu seinem Aufenthalt beschert hätte? Der Tropf aber wußte nichts zu antworten, und ich mußte mich um soviel desto mehr verwundern, weil ich noch nirgends gelesen, daß die alte abgöttische Ägyptier, noch die neulichste Amerikaner jemals dergleichen Ungeziefer vor Gott ausgeschrieen, wie dieser Geck täte.

Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in eine Kunstkammer, darinnen schöne Raritäten waren. Unter den Gemälden gefiel mir nichts besser als ein Ecce Homo! wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es die Anschauer gleichsam zum Mitleiden verzuckte; daneben hienge eine papierne Karte, in China gemalt, darauf stunden der Chineser Abgötter, in ihrer Majestät sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren; der Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner Kunstkammer mir am besten gefiele? Ich deutete auf besagtes Ecce Homo, er aber sagte, ich irre mich, das Chineser Gemäld wäre rarer, und dahero auch köstlicher, er wollte es nicht um zehen solcher Ecce Homo manglen. Ich antwortet: »Herr, ist Euer Herz wie Euer Mund?« Er sagt: »Ich versehe michs.« Darauf sagte ich: »So ist auch Euers Herzen Gott derjenige, dessen Conterfait Ihr mit dem Mund bekennet, das köstlichste zu sein.« »Phantast«, sagt jener, »ich ästimiere die Rarität!« Ich antwortet: »Was ist seltener und verwundernswürdiger, als daß Gottes Sohn selbst unsertwegen gelitten, wie uns dies Bildnus vorstellt?«

Das 25. Kapitel

Dem seltsamen Simplicio kommt in der Welt alles seltsam vor, und er hingegen der Welt auch.

So sehr wurden nun diese und noch eine größere Menge anderer Art Abgötter nicht geehrt, so sehr wurde hingegen die wahre göttliche Majestät verachtet; denn gleichwie ich niemand sahe, der sein Wort und Gebot zu halten begehrte, also sahe ich hingegen viel, die ihm in allem widerstrebten, und die Zöllner (welche zu den Zeiten, als Christus noch auf Erden wandelt, offene Sünder waren) mit Bosheit übertrafen. Christus spricht: »Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen die euch hassen, bittet vor die so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid euers Vatters im Himmel; dann so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? tun solches nicht auch die Zöllner? und so ihr euch nur zu euren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Sonderliches? tun nicht die Zöllner auch also?« Aber ich fande nicht allein niemand, der diesem Befelch Christi nachzukommen begehrte, sondern jedermann tät gerad das Widerspiel; es hieße: Viel Schwäger, viel Knebelspieß; und nirgends fande sich mehr Neid, Haß, Mißgunst, Hader und Zank, als zwischen Brüdern, Schwestern und andern angebornen Freunden, sonderlich wenn ihnen ein Erb zu teilen zugefallen war; auch sonst haßte das Handwerk allerorten einander, also daß ich handgreiflich sehen und schließen mußte, daß vor diesem die offene Sünder, Publikanen und Zöllner, welche wegen ihrer Bosheit und Gottlosigkeit bei männiglich verhaßt waren, uns heutigen Christen mit Übung brüderlicher Liebe weit überlegen gewesen; maßen ihnen Christus selbsten das Zeugnus gibt, daß sie sich untereinander geliebet haben: Dahero betrachtete ich, wenn wir keinen Lohn haben, so wir die Feinde nicht lieben, was vor große Strafen wir dann gewärtig

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