Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 41)

oft ein liederlicher Bärnhäuter war, als sein Anbeter selbst, weil sein lüftige Gottheit nur aus des Prinzen aprilenwetterischen Gunst bestunde; andere hatten den ihrigen in der Reputation und bildeten sich ein, wann sie nur dieselbige erhielten, so wären sie selbst auch halbe Götter; noch andere hatten den ihrigen im Kopf, nämlich diejenige, denen der wahre Gott ein gesund Hirn verliehen, also daß sie einige Künste und Wissenschaften zu fassen geschickt waren; dieselbe setzten den gütigen Geber auf ein Seit, und verließen sich auf die Gab, in Hoffnung, sie würde ihnen alle Wohlfahrt verleihen; auch waren viel, deren Gott ihr eigener Bauch war, welchem sie täglich die Opfer reichten, wie vorzeiten die Heiden dem Baccho und der Cerere getan, und wann solcher sich unwillig erzeigte oder sonst die menschliche Gebrechen sich anmeldeten, so machten die elende Menschen einen Gott aus dem Medico, und suchten ihres Lebens Aufenthalt in der Apotheck, aus welcher sie zwar öfters zum Tod befördert wurden. Manche Narren machten ihnen Göttinnen aus glatten Metzen, dieselbe nenneten sie mit andern Namen, beteten sie Tag und Nacht an mit viel tausend Seufzen und machten ihnen Lieder, welche nichts anders als ihr Lob in sich hielten, benebens einem demütigen Bitten, daß solche mit ihrer Torheit ein barmherziges Mitleiden tragen, und auch zu Närrinnen werden wollten, gleichwie sie selbst Narren seien. Hingegen waren Weibsbilder, die hatten ihre eigene Schönheit vor ihren Gott aufgeworfen; diese, gedachten sie, wird mich wohl vermannen, Gott im Himmel sage dazu, was er will; dieser Abgott ward anstatt an derer Opfer täglich mit allerhand Schminke, Salben, Wassern, Pulvern und sonst Schmiersel unterhalten und verehrt. Ich sahe Leut, die wohlgelegene Häuser vor Götter hielten, dann sie sagten, solang sie darin gewohnet, wäre ihnen Glück und Heil zugestanden und das Gelt gleichsam zum Fenster hineingefallen; welcher Torheit ich mich höchstens verwundert, weil ich die Ursach sahe, warum die Inwohner so guten Zuschlag gehabt: Ich kannte einen Kerl, der konnte in etlich Jahren vor dem Tobackhandel nicht recht schlafen, weil er demselben sein Herz, Sinn und Gedanken, das allein Gott gewidmet sein sollte, geschenkt hatte, er schickte demselben so tags als nachts viel tausend Seufzer, weil er dadurch prosperierte; aber was geschahe? der Phantast starb, und fuhr dahin, wie der To­backrauch selbst. Da gedacht ich: »O du elender Mensch! wäre dir deiner Seelen Seligkeit und des wahren Gottes Ehr so hoch angelegen gewesen als der Abgott, der in Gestalt eines Brasilianers mit einer Roll Toback unterm Arm und einer Pfeifen im Maul auf deinem Gaden stehet, so lebte ich der ohnzweiflichen Zuversicht, du hättest ein herrliches Ehrenkränzlein, in jener Welt zu tragen, erworben.« Ein anderer Gesell hatte noch wohl liederlichere Götter; dann als bei einer Gesellschaft von jedem erzählt wurde, auf was Weis er sich in dem greulichen Hunger und teuren Zeit ernähret und durchgebracht, sagte dieser mit teutschen Worten: Die Schnecken und Frösch seien sein Herrgott gewesen, er hätte sonst in Mangel ihrer müssen Hungers sterben: Ich fragte ihn, was ihm dann damals Gott selbst gewest wäre, der ihm solche

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