Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 46)

würde sich legen, wann ich herumterminierte, etwas sähe, hörte und von andern geschulet, oder wie man sagt, gehobelt und gerülpt würde.

Das 27. Kapitel

Dem Secretario wird ein starker Geruch in die Kanzlei geräuchert.

Meines Herrn Gunst vermehrte sich täglich und wurde je länger je größer gegen mir, weil ich nicht allein seiner Schwester, die den Einsiedel gehabt hatte, sondern auch ihm selbsten je länger je gleicher sahe, indem die gute Speisen und faule Täg mich in Kürze glatthärig machten. Diese Gunst genosse ich bei jedermänniglich, dann wer etwas mit dem Gubernator zu tun hatte, der erzeigte sich mir auch günstig, und sonderlich mochte mich der Secretarius wohl leiden: indem mich derselbe rechnen lernen mußte, hatte er manche Kurzweil von meiner Einfalt und Unwissenheit. Er war erst von den Studien kommen und stak dahero noch voller Schulpossen, die ihm zuzeiten ein Ansehen gaben, als wann er einen Sparren zu viel oder zu wenig gehabt hätte. Er überredete mich oft, schwarz sei weiß und weiß sei schwarz, dahero kam es, daß ich ihm in der erste alles und aufs letzte gar nichts mehr glaubte: Ich tadelt ihm einsmals sein schmierig Dintenfaß, er aber antwortet, solches sei sein bestes Stück in der ganzen Kanzlei, dann aus demselben lange er heraus was er begehre; die schönste Dukaten, Kleider, und in Summa was er vermöchte, hätte er nach und nach herausgefischt: Ich wollte nicht glauben, daß aus einem so kleinen verächtlichen Ding so herrliche Sachen zu bekommen wären; hingegen sagt er, solches vermög der spiritus papyri (also nennet er die Dinten), und das Dintenfaß würde darum ein Faß genennet, weil es große Sachen fasse: Ich fragte, wie mans dann herausbringen könnte, sintemal man kaum zween Finger hineinstecken möchte? Er antwortet, er hätte einen Arm im Kopf, der solche Arbeit verrichten müsse; er verhoffe, ihm bald auch ein schöne reiche Jungfer herauszulangen, und wann er das Glück hätte, so getraute er auch eigen Land und Leut herauszubringen, welches wohl ehemals geschehen wäre. Ich mußte mich über diese künstliche Griff verwundern und fragte, ob noch mehr Leute solche Kunst könnten. »Freilich«, antwortet er, »alle Kanzler, Doktorn, Secretarii, Procuratorn oder Advokaten, Commissarii, Notarii, Kauf- und Handelsherren, und sonst unzählich viel andere mehr, welche gemeiniglich, wann sie nur fleißig fischen, zu reichen Herren daraus werden.« Ich sagte: »So seind die Bauren und andere arbeitsame Leut nicht witzig, daß sie im Schweiß ihres Angesichts ihr Brot essen und diese Kunst nicht auch lernen.« Er antwortet: »Etliche wissen der Kunst Nutzen nicht, dahero begehren sie solche auch nicht zu lernen; etliche wolltens gerne lernen, manglen aber des Arms im Kopf, oder anderer Mittel; etliche lernen die Kunst und haben Arms genug, wissen aber die Griff nicht, so die Kunst erfordert, wenn man dadurch will reich werden; andere wissen und können alles was dazu gehört, sie wohnen aber an der Fehlhalden und haben keine Gelegenheit wie ich, die Kunst rechtschaffen zu üben.«

Als wir dergestalt vom Dintenfaß (welches mich allerdings an des Fortunati Säckel gemahnet) diskurierten, kam mir das Titularbuch ohngefähr in die

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