Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 47)

Händ, darinnen fande ich, meines damaligen Davorhaltens, mehr Torheiten, als mir bishero noch nie vor Augen kommen; ich sagte zum Secretario: »Dieses alles sind ja Adamskinder und eines Gemächts miteinander und zwar nur von Staub und Aschen! Wo kommt dann ein so großer Unterscheid her? Allerheiligst, Unüberwindlichst, Durchleuchtigst! Sind das nicht göttliche Eigenschaften? hier ist einer Gnädig, dort ist der ander Gestreng; und was muß allzeit das Geborn dabei tun? man weiß ja wohl, daß keiner vom Himmel fällt, auch keiner aus dem Wasser entstehet, und daß keiner aus der Erden wächst, wie ein Krautskopf; warum stehen nur Hoch-, Wohl-, Vor- und Großgeachte da, und keine Geneunte? oder wo bleiben die Gefünfte, Gesechste und Gesiebende? was ist das vor ein närrisch Wort: Vorsichtig? welchem stehen dann die Augen hinden im Kopf?« Der Secretarius mußte meiner lachen und nahm die Mühe, mir eines und des andern Titul, und alle Wort insonderheit auszulegen, ich aber beharrete darauf, daß die Titul nicht recht geben würden; es wäre einem viel rühmlicher, wann er Freundlich tituliert würde, als Gestreng. Item, wann das Wort Edel an sich selbsten nichts anders als hochschätzbarliche Tugenden bedeute, warum es dann, wann es zwischen Hochgeborn (welches Wort einen Fürsten oder Grafen anzeige) gesetzt werde, solchen fürstlichen Titul verringere? Das Wort Wohlgeborn sei eine ganze Unwahrheit; solches würde eines jeden Barons Mutter bezeugen, wenn man sie fraget, wie es ihr bei ihres Sohns Geburt ergangen wäre?

Indem ich nun dieses also belachte, entranne mir ohnversehens ein solcher grausamer Leibsdunst, daß beides, ich und der Secretarius darüber erschraken; dieser meldet sich augenblicklich sowohl in unsern Nasen als in der ganzen Schreibstuben so kräftig an, gleichsam als wenn man ihn zuvor nicht genug gehöret hätte. »Troll dich, du Sau«, sagt der Secretarius zu mir, »zu andern Säuen in Stall, mit denen du Rülp besser zustimmen, als mit ehrlichen Leuten konversieren kannst!« Er mußte aber sowohl als ich den Ort räumen und dem greulichen Gestank den Platz allein lassen. Und also habe ich meinen guten Handel, den ich in der Schreibstub hatte, dem gemeinen Sprüchwort nach, auf einmal verkerbt.

Das 28. Kapitel

Einer lernet den Simplicium aus Neid wahrsagen; ja noch wohl ein andere zierliche Kunst.

Ich kam aber sehr unschuldig in dies Unglück, denn die ohngewöhnliche Speisen und Arzneien, die man mir täglich gab, meinen zusammengeschrumpelten Magen und eingeschnorrtes Gedärm wieder zurechtzubringen, erregten in meinem Bauch viel gewaltige Wetter und starke Sturmwind, welche mich trefflich quälten, wann sie ihren ungestümmen Ausbruch suchten; und demnach ich mir nicht einbildete, daß es übel getan sei, wenn man diesorts der Natur willfahre, maßen einem solchen innerlichen Gewalt in die Läng zu widerstehen ohnedas ohnmüglich, mich auch weder mein Einsiedel (weil solche Gäst gar dünn bei uns gesäet wurden) niemals nichts davon unterrichtet, noch mein Knan verbotten, solche Kerl ihres Wegs nicht ziehen zu lassen, als ließe ich ihnen Luft, und alles passiern, was nur fort wollte, bis ich erzähltermaßen mein Kredit beim Secretario verloren: Zwar wäre dessen Gunst noch wohl zu entbehren gewest, wenn ich in keinen

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