Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 58)
die offene Haustür suchte. Dieses nun war die erste Hochzeit, bei deren ich mich mein Lebtag befunden, unangesehen ich nicht dazu geladen worden; hingegen dorfte ich aber auch nichts schenken, wiewohl mir hernach der Hochzeiter die Zech desto teurer rechnete, die ich auch redlich bezahlte. Günstiger Leser, ich erzähle diese Geschicht nicht darum, damit Er viel darüber lachen solle, sondern damit meine Histori ganz seie, und der Leser zu Gemüt führe, was vor ehrbare Früchten von dem Tanzen zu gewarten seien. Dies halte ich einmal vor gewiß, daß bei den Tänzen mancher Kauf gemacht wird, dessen sich hernach eine ganze Freundschaft zu schämen hat.
Das 2. Kapitel
Wann trefflich gut zu baden seie.
Ob ich nun zwar dergestalt aus dem Gänsstall glücklich entronnen, so wurde ich jedoch erst meines Unglücks recht gewahr, dann meine Hosen waren voll und ich wußte nicht wohin damit; in meines Herrn Quartier war alles still und schlafend, dahero dorfte ich mich zur Schildwacht, die vorm Haus stunde, nicht nähern, in der Hauptwach, Corps de Guarde wollte man mich nicht leiden, weil ich viel zu übel stank, auf der Gassen zu bleiben war mirs gar zu kalt und ohnmüglich, also daß ich nicht wußte wo aus noch ein. Es war schon weit nach Mitternacht, als mir einfiele, ich sollte mein Zuflucht zu dem vielgemeldten Pfarrer nemmen; ich folgete meinem Gutbefinden, vor der Tür anzuklopfen; damit war ich so importun, daß mich endlich die Magd mit Unwillen einließe. Als sie aber roche was ich mitbrachte (dann ihre lange Nas verriet gleich meine Heimlichkeit), wurde sie noch schelliger; derowegen fienge sie an mit mir zu keifen, welches ihr Herr, so nunmehr fast ausgeschlafen hatte, bald hörete: Er rufte uns beiden vor sich ans Bett, sobald er aber merkte, wo der Has im Pfeffer lag, und die Nas ein wenig gerümpft hatte, sagte er: Es seie niemals, ohn angesehen was die Kalender schreiben, besser baden als in solchem Stand, darin ich mich befünde; er befahl auch seiner Magd, sie sollte, bis es vollends Tag würde, meine Hosen wäschen und vor den Stubenofen hängen, mich selbst aber in ein Bett legen, dann er sahe wohl, daß ich vor Frost ganz erstarrt war: Ich war kaum erwarmt, da es anfieng zu tagen, so stunde der Pfarrer schon vorm Bett, zu vernehmen wie mirs gangen, und wie meine Händel beschaffen wären, weil ich meines nassen Hemds und der Hosen halber noch nicht aufstehen konnte, zu ihm zu gehen: Ich erzählte ihm alles und machte den Anfang an der Kunst, die mich mein Kamerad gelernet, und wie übel sie geraten. Folgends meldet ich, daß die Gäst, nachdem er, der Pfarrer, hinweg gewest, ganz unsinnig worden wären, und (maßen mich mein Kamerad also berichtet) ihnen vorgenommen hätten, dem Haus den Boden einzutretten; item in was vor ein schröckliche Angst ich darüber geraten, und auf was Weis ich mich vorm Untergang konservieren wollen, darüber aber in Gänsstall gesperret worden, auch was ich in demselben von den Zweien, so mich wieder erlöst, vor Wort und Werk vernommen