Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 60)

so ich ihm noch hätte zufügen können, zu versichern, aus welchem ich aber gebrochen und nun in der Küchen umgehe, wie ein Junker, der ihm nicht mehr aufwarten dürfe; sein Lebtag sei ihm kein solcher Poß widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler ehrlichen Leut gerissen, er wisse nichts anders mit mir anzufangen, als daß er mich lasse abprügeln, und weil ich mich so dumm anließe, wieder vor den Teufel hinjage.

Inzwischen als mein Herr so über mich klagte, sammleten sich die Gäst nach und nach; da er aber ausgeredet hatte, antwort der Pfarrer: Wann ihm der Herr Gouverneur ein kleine Zeit mit ein wenig Gedult zuzuhören beliebte, so wollte er von Simplicio der Sachen halber eines und anders erzählen, daraus nicht allein seine Unschuld zu vernehmen sein, sondern auch denen, so sich seines Verhaltens halber disgustiert befinden wollten, alle ungleiche Gedanken benommen würden.

Als man dergestalt oben in der Stuben von mir redete, akkordiert der dolle Fähnrich, den ich an meine Stell selbander angesperrt hatte, unden mit mir in der Küchen und brachte mich durch Drohwort und einen Taler, den er mir zusteckte, dahin, daß ich ihm versprach, von seinen Händeln reinen Mund zu halten.

Die Tafeln wurden gedeckt und wie den vorigen Tag mit Speisen und Leuten besetzt. Wermut-, Salbei-, Alant-, Quitten- und Zitronenwein mußte neben dem Hippokras den Säufern ihre Köpf und Mägen wieder begütigen, denn sie waren schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erstes Gespräch war von ihnen selbsten, nämlich wie sie gestern einander so brav vollgesoffen hätten, und war doch keiner unter ihnen, der gründlich gestehen wollte, daß er voll gewesen, wiewohl den Abend zuvor teils bei Teufelholen geschworen, sie könnten nicht mehr saufen, auch Wein mein Herr! geschrieen und geschrieben hatten. Etliche zwar sagten, sie hätten gute Räusch gehabt, andere aber bekenneten, daß sich keiner mehr vollsöffe, sint die Räusch aufkommen. Als sie aber von ihren eigenen Torheiten beides zu reden und zu hören müd waren, mußte sich der arme Simplicius leiden: Der Gouverneur selbst erinnerte den Pfarrer, die lustige Sachen zu eröffnen, wie er versprochen hätte.

Dieser bate zuvörderst, man wollte ihm nichts vor ungut halten, dafern er etwan Wörter reden müßte, die seiner geistlichen Person übel anständig zu sein! vermerkt würden; fienge darauf an zu erzählen, erstlich aus was vor natürlichen Ursachen mich die Leibsdünste zu plagen pflegten, was ich durch solche dem Secretario vor einen Unlust in die Kanzlei angerichtet: Was ich neben dem Wahrsagen vor ein Kunst dawider gelernet, und wie schlimm solche in der Prob bestanden. Item wie seltsam mir das Tanzen vorkommen, weil ich dergleichen niemalen gesehen, was ich vor Bericht deshalber von meinem Kameraden eingenommen, welcher Ursachen halber ich dann die vornehme Dame ergriffen, und darüber in Gänsstall kommen. Solches aber brachte er mit einer wohlanständigen Art zu reden vor, daß sie sich trefflich zerlachen mußten, entschuldigt dabei meine Einfalt und Unwissenheit so bescheidenlich, daß ich wieder in meines Herrn Gnad kame und vor der Tafel aufwarten dorfte, aber von dem was mir im Gänsstall begegnet, und wie ich wieder

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