Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 62)
dergleichen Possen auf die Bahn, also daß man schier denselben ganzen Imbiß von sonst nichts, als nur von mir zu reden und zu lachen hatte. Solches verursachte einen allgemeinen Schluß zu meinem Untergang, welcher war, daß man mich dapfer agieren sollte, so würde ich mit der Zeit einen raren Tischrat abgeben, mit dem man auch den größten Potentaten von der Welt verehren, und die Sterbende zu lachen machen könnte.
Das 4. Kapitel
Vom Mann der Geld gibt, und was vor Kriegsdienste Simplicius der Kron Schweden geleistet, wordurch er den Namen Simplicissimus bekommen.
Wie man nun also schlampamte und wieder wie gester gut Geschirr machen wollte, meldet die Wacht mit Einhändigung eines Schreibens an den Gouverneur einen Commissarium an, der vor dem Tor seie, welcher von der Kron Schweden Kriegsräten abgeordnet war, die Garnison zu mustern und die Festung zu visitieren. Solches versalzte allen Spaß, und alles Freudengelach verlummerte wie ein Sackpfeifenzipfel, dem der Blast entgangen: Die Musikanten und die Gäst zerstoben wie Tobackrauch verschwindet, der nur den Geruch hinder sich läßt; mein Herr trollte selbst mit dem Adjutanten, der die Schlüssel trug, samt einem Ausschuß von der Hauptwacht und vielen Windliechtern, dem Tor zu, den Plackschmeißer, wie er ihn nennete, selbst einzulassen: Er wünschte, daß ihm der Teufel den Hals in tausend Stück brechen, ehe er in die Festung käme! Sobald er ihn aber eingelassen, und auf der innern Fallbrücken bewillkommte, fehlte wenig oder gar nichts, daß er ihm nicht selbst an Stegreif griff, seine Devotion gegen ihm zu bezeugen; ja die Ehrerbietung wurde augenblicklich zwischen beiden so groß, daß der Commissarius abstieg und zu Fuß mit meinem Herrn gegen seinem Losament fortwanderte, da wollte jeder die linke Hand haben, etc. »Ach!« gedachte ich, »was vor ein wunderfalscher Geist regiert doch die Menschen, indem er je den einen durch den andern zum Narren macht.« Wir näherten also der Hauptwacht, und die Schildwacht rufte ihr Wer da? wiewohl sie sahe, daß es mein Herr war; dieser wollte nicht antworten, sondern jenem die Ehr lassen, daher stellte sich die Schildwacht mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger. Endlich antwortet er auf das letztere Wer da? »Der Mann ders Geld gibt!« Wie wir nun bei der Schildwacht vorbeipassierten und ich so hinden nachzog, hörete ich ermeldte Schildwacht, die ein neugeworbener Soldat, und zuvor ihres Handwerks ein wohlhäbiger junger Bauresmann auf dem Vogelsberg gewest war, diese Wort brummlen: »Du magst wohl ein verlogener Kund sein; ›ein Mann ders Geld gibt!‹ Ein Schindhund ders Geld nimmt! das bist du; soviel Gelds hast du mir abgeschweißt, daß ich wollte, der Hagel erschlüg dich, ehe du wieder aus der Stadt kämest.« Von dieser Stund an faßte ich die Gedanken, dieser fremde Herr im sammeten Mutzen müsse ein heiliger Mann sein, weil nicht allein keine Flüch an ihm hafteten, sondern dieweil ihm auch seine Hasser alle Ehr, alles Liebs und alles Gutes erwiesen, er wurde noch dieselbe Nacht fürstlich traktiert, blindvollgesoffen, und noch dazu in ein herrlich Bett gelegt.
Folgende Täge giengs bei der Musterung bund über Eck her. Ich