Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 59)

und welchergestalt ich sie beide an meine Statt eingesperret hätte. »Simplici«, sagt der Pfarrer, »deine Sachen stehen lausig, du hattest einen guten Handel, aber ich sorg! ich sorg! es sei verscherzt; pack dich nur geschwind aus dem Bett und troll dich aus dem Haus, damit ich nicht samt dir in deines Herrn Ungnad komme, wenn man dich bei mir findet.« Also mußte ich mit meinem feuchten Gewand hinziehen und zum erstenmal erfahren, wie wohl einer bei männiglich daran ist, wenn er seines Herrn Gunst hat, und wie scheel einer hingegen angesehen wird, wann solche hinket.

Ich gieng in meines Herrn Quartier, darin noch alles steinhart schlief, bis auf den Koch und ein paar Mägd, diese butzten das Zimmer, darinnen man gestern gezecht, jener aber rüstete aus den Abschrötlin wieder ein Frühstück oder vielmehr ein Imbiß zu; am ersten kam ich zu den Mägden, bei denen lag es hin und wieder voller zerbrochener so Trink- als Fenstergläser, an teils Orten war es [voll] von dem, so unden und oben weggangen, und an andern Orten waren große Lachen von verschüttem Wein und Bier, also daß der Boden einer Landkarten gleich sahe, darinnen man unterschiedliche Meer, Insuln und truckene oder fußfeste Länder hätte abbilden und vor Augen stellen wollen. Es stank im ganzen Zimmer viel übler als in meinem Gänsstall; derowegen war auch meines Bleibens nicht lang daselbsten, sondern ich machte mich in die Küchen und ließe meine Kleider beim Feur am Leib vollends trücknen, mit Forcht und Zittern erwartend, was das Glück, wenn mein Herr ausgeschlafen hätte, ferners in mir würken wollte; daneben betrachtet ich der Welt Torheit und Unsinnigkeit, und zog alles zu Gemüt, was mir verwichenen Tag und selbige Nacht begegnet war, auch was ich sonst gesehen, gehört und erfahren hatte. Solche Gedanken verursachten, daß ich damals meines Einsiedlers geführtes dürftig und elend Leben vor glückselig schätzte, und ihn und mich wieder in vorigen Stand wünschete.

Das 3. Kapitel

Der ander Page bekommt sein Lehrgelt, und Simplicius wird zum Narrn erwählt.

Als mein Herr aufgestanden, schickte er seinen Leibschützen hin, mich aus dem Gänsstall zu holen; der brachte Zeitung, daß er die Tür offen, und ein Loch hinder dem Riegel mit einem Messer geschnitten gefunden, vermittelst dessen der Gefangene sich selbst erledigt hätte: Ehe aber solche Nachricht einkam, verstunde mein Herr von andern, daß ich vorlängst in der Küchen gewesen. Indessen mußten die Diener hin und wieder laufen, die gestrige Gäst zum Frühestück einzuholen, unter welchen der Pfarrer auch war, welcher zeitlicher als andere erscheinen mußte, weil mein Herr meinetwegen mit ihm reden wollte, ehe man zur Tafel säße. Er fragte ihn erstlich, ob er mich vor witzig oder vor närrisch hielte? oder ob ich so einfältig, oder so boshaftig seie? und erzählet ihm damit alles, wie unehrbarlich ich mich den vorigen Tag und Abend gehalten, welches teils von seinen Gästen übel empfunden und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt mit Fleiß so angestellt worden, item daß er mich hätte in einen Gänsstall versperren lassen, sich vor dergleichen Spott,

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