Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 65)

war. Ich hätte sie zwar Trunkenheit und Schlafs halber wohl ausgedauret, aber sie verblieben nicht allweg beieinander, sondern lösten sich untereinander ab, darum hätte ich zuletzt den Kürzern ziehen müssen: Drei Täg und zwo Nächt hab ich in diesem raucherichten Keller zubracht, welcher kein ander Liecht hatte, als was das Feur von sich gab; der Kopf fieng mir dahero an zu brausen und zu wüten, als ob er zerreißen wollte, daß ich endlich einen Fund ersinnen mußte, mich meiner Qual samt den Peinigern zu entledigen; ich machte es wie der Fuchs, welcher den Hunden ins Gesicht harnt, wenn er ihnen nicht mehr zu entrinnen getraut, dann weil mich eben die Natur triebe, meine Notdurft (s. v.) zu tun, bewegte ich mich zugleich mit einem Finger im Hals zum Unwillen, dergestalt, daß ich mit einem unleidenlichen Gestank die Zech bezahlte, also daß auch meine Teufel selbst schier nicht mehr bei mir bleiben konnten; damals legten sie mich in ein Leilach und zerplotzten mich so unbarmherzig, daß mir alle innerliche Glieder samt der Seele heraus hätten fahren mögen. Wovon ich dermaßen aus mir selber kam und des Gebrauchs meiner Sinnen beraubt wurde, daß ich gleichsam wie tot dalag; ich weiß auch nicht was sie ferners mit mir gemacht haben, so gar war ich allerdings dahin.

Das 6. Kapitel

Simplicius kommt in Himmel und wird in ein Kalb verwandelt.

Als ich wieder zu mir selber kam, befand ich mich nicht mehr in dem öden Keller bei den Teufeln, sondern in einem schönen Saal, unter den Händen dreier der allergarstigsten alten Weiber, so der Erdboden je getragen; ich hielte sie anfänglich, als ich die Augen ein wenig öffnete, vor natürliche höllische Geister; hätte ich aber die alte heidnische Poeten schon gelesen gehabt, so hätte ich sie vor die Eumenides, oder wenigst die eine eigentlich vor die Tisiphone gehalten, welche mich wie den Athamantem meiner Sinn zu berauben aus der Höllen ankommen wäre, weil ich zuvor wohl wußte, daß ich darum da war, zum Narren zu werden: Diese hatte ein Paar Augen wie zween Irrwisch, und zwischen denselben eine lange magere Habichsnas, deren Ende oder Spitz die undere Lefzen allerdings erreichte; nur zween Zähn sahe ich in ihrem Maul, sie waren aber so vollkommen, lang, rund und dick, daß sich jeder beinahe der Gestalt nach mit dem Goldfinger, der Farb nach aber sich mit dem Gold selbst hätte vergleichen lassen; in Summa, es war Gebeins genug vorhanden zu einem ganzen Maul voll Zähn, es war aber gar übel ausgeteilt, ihr Angesicht sahe wie spanisch Leder, und ihre weiße Haar hiengen ihr seltsam zerstrobelt um den Kopf herum, weil man sie erst aus dem Bett geholt hatte; ihre lange Brüst weiß ich nichts anders zu vergleichen, als zweien lummerichten Kühblasen, denen zwei Drittel vom Blast entgangen, unden hienge an jeder ein schwarzbrauner Zapf halb Fingers lang; wahrhaftig ein erschröcklicher Anblick, der zu nichts anders, als vor eine treffliche Arznei wider die unsinnige Liebe der geilen Böck hätte dienen mögen; die andere zwo waren gar nicht schöner,

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