Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 66)
ohne daß dieselbe stumpfe Affennäslein und ihre Kleider etwas ordentlicher angetan hatten: Als ich mich besser erkoberte, sahe ich, daß die eine unser Schüsselwäscherin, die andere zwo aber zweier Furierschützen Weiber waren. Ich stellte mich, als wenn ich mich nicht zu regen vermochte, wie mich dann in Wahrheit auch nicht tanzerte, als diese ehrliche alte Mütterlein mich splitternackend auszogen und von allem Unrat wie ein junges Kind säuberten: Doch tät mir solches trefflich sanft; sie bezeugten unter währender Arbeit ein große Gedult und treffliches Mitleiden, also daß ich ihnen beinahe offenbart hätte, wie wohl mein Handel noch stünde; doch gedacht ich: Nein Simplici! vertraue keinem alten Weib, sondern gedenke, du habest Victori genug, wenn du in deiner Jugend drei abgefäumte alte Vetteln, mit denen man den Teufel im weiten Feld fangen möchte, betrügen kannst; du kannst aus dieser Okkasion Hoffnung schöpfen, im Alter mehrers zu leisten. Da sie nun mit mir fertig waren, legten sie mich in ein köstlich Bett, darinnen ich ohngewieget entschlief, sie aber giengen, und nahmen ihre Kübel und andere Sachen, damit sie mich gewaschen hatten, samt meinen Kleidern und allen Unflat mit sich hinweg. Meines Davorhaltens schlieffe ich diesen Satz länger als 24 Stund, und da ich wieder erwachte, stunden zween schöne geflügelte Knaben vorm Bett, welche mit weißen Hemdern, daffeten Binden, Perlen, Kleinodien, güldenen Ketten und andern scheinbarlichen Sachen köstlich gezieret waren: Einer hatte ein vergüldtes Lavor voller Hippen, Zuckerbrot, Marzeban und ander Konfekt, der ander aber einen vergüldten Becher in Handen; diese als Engel, davor sie sich ausgaben, wollten mich bereden, daß ich nunmehr im Himmel sei, weil ich das Fegfeuer so glücklich überstanden, und dem Teufel samt seiner Mutter entgangen; derohalben sollte ich nur begehren, was mein Herz wünschte, sintemal alles, was mir nur beliebte, genug vorhanden wäre oder doch sonst herbeizuschaffen in ihrer Macht stünde. Mich quälte der Durst, und weil ich den Becher vor mir sahe, verlangte ich nur den Trunk, der mir auch mehr als gutwillig gereicht wurde; solches war aber kein Wein, sondern ein lieblicher Schlaftrunk, welchen ich ohnabgesetzt zu mir nahm und davon wieder entschlief, sobald er bei mir erwarmt.
Den andern Tag erwachte ich wiederum (dann sonst schlieffe ich noch), befand mich aber nicht mehr im Bett, noch in vorigem Saal, sondern in meinem alten Gänskerker; da war abermal eine greuliche Finsternus wie in vorigem Keller, und überdas hatte ich ein Kleid an von Kalbfellen, daran das rauhe Teil auch auswendig gekehrt war; die Hosen waren auf polnisch oder schwäbisch, und das Wams noch wohl auf ein närrischere Manier gemacht, oben am Hals stunde eine Kappe wie ein Mönchsgugel, die war mir über den Kopf gestreift, und mit einem schönen Paar großer Eselsohren geziert. Ich mußte meines Unsterns selbst lachen, weil ich beides, am Nest und den Federn sahe, was ich vor ein Vogel sein sollte: Damals fieng ich erst an, in mich selbst zu gehen und auf mein Bestes zu gedenken. Ich setzte mir vor, mich auf das närrischte zu stellen, als mir immer möglich sein möchte,