Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 68)
sie wurden so schellig und zerstoben dermaßen voneinander, als wenn im Augusto ein Nest voll Hornussen unter sie gelassen worden wäre; also daß sie ihr Herr an selbigem Ort nicht mehr zusammenbringen konnte, welches ein artlichen Spaß abgabe. In einem Hui war ein Haufen Volk beieinander, das der Gaukelfuhr zusahe, und als mein Herr lachte, daß er hätte zerbersten mögen, sagte er endlich : »Ein Narr macht ihrer hundert.« Ich aber gedachte: »Und eben du bist derjenige, dem du jetzt wahr sagest.«
Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an das Kalb nennete, also nennete ich hingegen auch einen jeden mit einem besonderen spöttischen Nachnamen; dieselbe fielen mehrenteils der Leut, und sonderlich meines Herrn Bedünken nach gar sinnreich, dann ich taufte jedwedem nachdem seine Qualitäten erforderten. Summariter davon zu reden, so schätzte mich männiglich vor einen ohnweisen Toren, und ich hielte jeglichen vor einen gescheiden Narrn. Dieser Gebrauch ist meines Erachtens in der Welt noch üblich, maßen ein jeder mit seiner Witz zufrieden, und sich einbildet, er sei der Gescheideste unter allen.
Obige Kurzweil, die ich mit des Bauren Rindern anstellete, machte uns den kurzen Vormittag noch kürzer, denn es war damals eben um die winterliche Sonnenwende: Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor, brachte aber benebens seltsame Sachen auf die Bahn, und als ich essen sollte, konnte niemand einige menschliche Speis oder Trank in mich bringen, ich wollte kurzum nur Gras haben, so damals zu bekommen ohnmüglich war. Mein Herr ließe ein paar frische Kalbfell von den Metzgern holen und solche zweien kleinen Knaben über die Köpf streifen: Diese setzte er zu mir an den Tisch, traktierte uns in der ersten Tracht mit Wintersalat, und hieß uns wacker zuhauen, auch ließe er ein lebendig Kalb hinbringen und mit Salz zum Salat anfrischen. Ich sahe so starr darein, als wenn ich mich darüber verwunderte, aber der Umstand vermahnete mich mitzumachen; »jawohl«, sagten sie, wie sie mich so kaltsinnig sahen, »es ist nichts Neues, wenn Kälber Fleisch, Fisch, Käs, Butter und anders fressen: Was? sie saufen auch zuzeiten ein guten Rausch! die Bestien wissen nunmehr wohl, was gut ist; ja«, sagten sie ferner, »es ist heutigestags so weit kommen, daß sich nunmehr ein geringer Unterscheid zwischen ihnen und den Mensehen befindet, wolltest du dann allein nicht mitmachen?«
Dieses ließe mich um so viel desto ehender überreden, weil mich hungerte, und nicht darum, daß ich hiebevor schon selbst gesehen, wie teils Menschen säuischer als Schwein, grimmiger als Löwen, geiler als Böck, neidiger als Hund, unbändiger als Pferd, gröber als Esel, versoffener als Rinder, listiger als Füchs, gefräßiger als Wölf, närrischer als Affen, und giftiger als Schlangen und Krotten waren, welche dennoch allesamt menschlicher Nahrung genossen, und nur durch die Gestalt von den Tieren unterschieden waren, zumalen auch die Unschuld eines Kalbs bei weitem nicht hatten. Ich fütterte mit meinen Mitkälbern, die solches mein Appetit erforderte, und wann ein Fremder uns ohnversehens also beieinander zu Tisch hätte sitzen sehen, so hätte er sich ohne Zweifel eingebildet, die alte Circe wäre wieder auferstanden, aus Menschen Tier