Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 71)

auf ihn gefallen. Ein anderer kam durch eine Krankheit dahin, daß er seines Dieners Namen vergaß, und Messala Corvinus wußte seinen eigenen Namen nicht mehr, der doch vorhin ein gut Gedächtnus gehabt. Schramhans schreibet in fasciculo Historiarum, fol. 60. (welches aber so aufschneiderisch klinget, als ob es Plinius selbst geschrieben), daß ein Priester aus seiner eigenen Ader Blut getrunken und dadurch schreiben und lesen vergessen, sonst aber sein Gedächtnus unverruckt behalten, und als er übers Jahr hernach eben an selbigem Ort und damaliger Zeit abermal desselbigen Bluts getrunken, hätte er wieder wie zuvor schreiben und lesen können. Zwar ists glaublicher, was Jo. Wierus de praestigiis daemon. lib. 3. cap. 18. schreibet, wenn man Bärenhirn einfresse, daß man dadurch in solche Phantasei und starke Imagination gerate, als ob man selbst zu einem Bären worden wäre, wie er dann solches mit dem Exempel eines spanischen Edelmanns beweiset, der, nachdeme er dessen genossen, in den Wildnussen umgeloffen, und sich nicht anders eingebildet, als er seie ein Bär. Lieber Simplici, hätte dein Herr diese Kunst gewüßt, so dürftest du wohl ehender in einen Bärn, wie die Kallisto, als in einen Stier, wie Jupiter, verwandelt worden sein.«

Der Pfarrer erzählte mir des Dings noch viel, gab mir wieder etwas von Arznei, und instruierte mich wegen meines fernern Verhalts; damit machte ich mich wieder nach Haus und brachte mehr als 100 Buben mit, die mir nachlieffen und abermals alle wie Kälber schrieen, derowegen lief mein Herr, der eben aufgestanden war, ans Fenster, sahe so viel Narren auf einmal, und ließe ihm belieben, darüber herzlich zu lachen.

Das 9. Kapitel

Ein überzwerches Lob einer schönen Damen.

Sobald ich ins Haus kam, mußte ich auch in die Stub, weil adelich Frauenzimmer bei meinem Herrn war, welches seinen neuen Narrn auch gerne hätte sehen und hören mögen. Ich erschiene, und stund da wie ein Stumm, dahero diejenige, so ich hiebevor beim Tanz erdappet hatte, Ursach nahm zu sagen: Sie hätte ihr sagen lassen, dieses Kalb könne reden, so verspüre sie aber nunmehr, daß es nicht wahr seie. Ich antwortet: »So hab ich hingegen vermeinet, die Affen können nicht reden, höre aber wohl, daß dem auch nicht also sei.« »Wie«, sagte mein Herr, »vermeinst du dann diese Damen seien Affen?« Ich antwortet: »Seind sie es nicht, so werden sie es doch bald werden: wer weiß, wie es fällt, ich habe mich auch nicht versehen, ein Kalb zu werden, und bins doch!« Mein Herr fragte, woran ich sehe, daß diese Affen werden sollen? Ich antwortet: »Unser Aff trägt sein Hindern bloß, diese Damen aber allbereit ihre Brüst, dann andere Mägdlein pflegten ja sonst solche zu bedecken.« »Schlimmer Vogel«, sagte mein Herr, »du bist ein närrisch Kalb, und wie du bist, so redest du; diese lassen billich sehen, was sehenswert ist, der Aff aber gehet aus Armut nackend; geschwind bringe wieder ein, was du gesündiget hast, oder man wird dich karbeitschen und mit Hunden in Gänsstall hetzen, wie man Kälbern tut, die sich nicht zu schicken wissen. Laß hören, weißt du auch eine Dam

Seiten