Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 86)

sahe man oft die Müllerflöhe auf seinen Kleidern herumwandern, deren er sich im geringsten nicht schämet, sondern noch dazu lachte, wann ihm jemand eine herab lase; er trug kurze Haupthaar und einen breiten Schweizerbart, welches ihm wohl zustatten kam, weil er sich selbst in Baurenkleider zu verstellen und darin auf Kundschaft auszugehen pflegte. Wiewohl er nun, wie gehöret, keine Grandezza speiset, so wurde er jedoch von den Seinen und andern die ihn kenneten, geehrt, geliebt und geförchtet; wir waren niemals ruhig, sondern bald hier, bald dort; bald fielen wir ein, und bald wurde uns eingefallen, so gar war keine Ruhe da, der Hessen Macht zu ringern; hingegen feiret uns Melander auch nicht, als welcher uns manchen Reuter abjagte und nach Kassel schickte.

Dieses unruhige Leben schmeckte mir ganz nicht, dahero wünscht ich mich oft vergeblich wieder nach Hanau; mein größtes Kreuz war, daß ich mit den Burschen nicht recht reden konnte, und mich gleichsam von jedwederm hin und wieder stoßen, plagen, schlagen und jagen lassen mußte; die größte Kurzweil, die mein Obrister mit mir hatte, war, daß ich ihm auf teutsch singen, und wie andere Reuterjungen aufblasen mußte so zwar selten geschahe, doch kriegte ich alsdann solche dichte Ohrfeigen, daß der rote Saft hernach gieng, und ich lang genug daran hatte; zuletzt fienge ich an, mich des Kochens zu unterwinden, und meinem Herrn das Gewehr, darauf er viel hielte, sauber zu halten, weil ich ohnedas auf Furage zu reuten noch nichts nutz war; das schlug mir so trefflich zu, daß ich endlich meines Herrn Gunst erwarbe, maßen er mir wieder aus Kalbfellen ein neu Narrenkleid machen lassen, mit viel größern Eselsohren, als ich zuvor getragen; und weil meines Herrn Mund nicht eckelicht war, bedorft ich zu meiner Kochkunst desto weniger Geschicklichkeit; demnach mirs aber zum öftern an Salz, Schmalz und Gewürz mangelte, wurde ich meines Handwerks auch müd, trachtet derowegen Tag und Nacht, wie ich mit guter Manier ausreißen möchte, vornehmlich weil ich den Frühling wieder erlangt hatte. Als ich nun solches ins Werk setzen wollte, nahm ich mich an, die Schaf- und Kühkutteln, deren es voll um unser Quartier lag, ferne hinwegzuschleifen, damit solche kein so üblen Geruch mehr machten; solches ließ ihm der Obriste gefallen, als ich nun damit umgieng, blieb ich, da es dunkel ward, zuletzt gar aus, und entwischt in den nächsten Wald.

Das 16. Kapitel

Simplicius erschnappet ein gute Beut und wird darauf ein diebischer Waldbruder.

Mein Handel und Wesen wurde aber allem Ansehen nach je länger je ärger, ja so schlimm, daß ich mir einbildete, ich seie nur zum Unglück geboren, dann ich war wenig Stunden von den Kroaten hinweg, da erhascheten mich etliche Schnapphahnen; diese vermeinten ohn Zweifel, etwas Rechts an mir gefangen zu haben, weil sie bei finsterer Nacht mein närrisch Kleid nicht sahen, und mich gleich durch zween aus ihnen an einen gewissen Ort, in Wald hinein führen lassen; als mich diese dahin brachten, und es zugleich stockfinster wurde, wollte der eine Kerl kurzum Geld von mir haben; zu solchem End legte er

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