Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 95)
sein möchte, damit du aus deinem Narrnkleid kommest.«
Hierauf fiel ich ihm um den Hals, und erzeigte mich vor übriger Freud nicht anders, als wann er ein Prophet gewest wäre, mich von meiner Narrnkapp zu erlösen; und nachdem wir sich auf die Erde gesetzt hatten, erzählte ich ihm mein ganzes Leben; er beschaute meine Händ, und verwundert sich beides, über die verwichene und künftige seltsame Zufälle; wollte mir aber durchaus nicht raten, daß ich in Bälde mein Narrnkleid ablegen sollte, weil er, wie er sagte, vermittelst der Chiromantia sahe, daß mir mein Fatum ehe Gefängnus androhe, die Leib- und Lebensgefahr mit sich brächte. Ich bedankte mich seiner guten Neigung und mitgeteilten Rats, und bat Gott, daß er ihm seine Treuherzigkeit belohnen, ihn selber aber, daß er (weil ich von aller Welt verlassen wäre) mein getreuer Freund und Vatter sein und bleiben wollte.
Demnach stunden wir auf und kamen auf den Spielplatz, da man mit Würfeln turnieret und alle Schwür mit hunderttausend mal tausend, Galleern, Rennschifflein, Tonnen und Stadtgräben voll etc. herausfluchte; der Platz war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln, überall mit Mänteln überstreut, und mit Tischen bestellt, die alle mit Spielern umgeben waren; jede Gesellschaft hatte drei viereckige Schelmenbeiner, denen sie ihr Glück vertrauten, weil sie ihr Geld teilen, und solches dem einen geben, dem andern aber nemmen mußten: So hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen Schunderer (Scholderer wollte ich sagen, und hätte doch schier Schinder gesagt), dieser Amt war, daß sie Richter sein, und zusehen sollten, daß keinem unrecht geschehe; sie liehen auch Mäntel, Tisch und Würfel her, und wußten deswegen ihr Gebühr so wohl vom Gewinn einzunemmen, daß sie gewöhnlich das meiste Geld erschnappten; doch faselt es nicht, dann sie verspieltens gemeiniglich wieder, oder wenns gar wohl angelegt wurde, so bekams der Marketender, oder der Feldscherer, weil ihnen die Köpf oft gewaltig geflickt wurden.
An diesen närrischen Leuten sahe man sein blauen Wunder, weil sie alle zu gewinnen vermeinten, welches doch unmüglich, sie hätten denn aus einer fremden Daschen gesetzt, und ob sie zwar alle diese Hoffnung hatten, so hieß es doch: Viel Köpf, viel Sinn, weil sich jeder Kopf nach seinem Glück sinnete, denn etliche trafen, etliche fehlten; etliche gewannen, etliche verspielten: Derowegen auch etliche fluchten, etliche donnerten; etliche betrogen, und andere wurden besäbelt; dahero lachten die Gewinner, und die Verspieler bissen die Zähn aufeinander; teils verkauften Kleider, und was sie sonst liebhatten, andere aber gewinneten ihnen das Geld wieder ab; etliche begehrten redliche Würfel, andere hingegen wünschten falsche auf den Platz und führten solche unvermerkt ein, die aber andere wieder hinwegwurfen, zerschlugen, mit Zähnen zerbissen, und den Scholderern die Mäntel zerrissen. Unter den falschen Würfeln befanden sich Niederländer, welche man schleifend hineinrollen mußte; diese hatten so spitzige Rucken, darauf sie die Fünfer und Sechser trugen, als wie die magere Esel darauf man die Soldaten setzt. Andere waren oberländisch, denselben mußte man die bayrische Höhe geben, wenn man werfen wollte: Etliche waren von Hirschhorn, leicht oben, und schwer unden gemacht: Andere waren mit Quecksilber oder