Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 97)

vielmehr der Spielteufel eingenommen, der wird nach und nach (er gewinne oder verspiele) so verpicht darauf, daß ers weniger lassen kann als den natürlichen Schlaf; wie man dann siehet, daß etliche die ganze Nacht durch und durch raßlen, und vor das beste Essen und Trinken hineinspielen, und sollten sie auch ohne Hemd davongehen: Das Spielen ist bereits zu unterschiedlichen Malen bei Leib- und Lebensstraf verbotten, und aus Befelch der Generalität durch Rumormeister, Profosen, Henker und Steckenknecht mit gewaffneter Hand offentlich und mit Gewalt verwehret worden; aber das half alles nichts, dann die Spieler kamen anderwärts in heimlichen Winkeln und hinder den Hecken zusammen, gewannen einander das Geld ab, entzweiten sich, und brachen einander die Häls darüber: Also daß man solcher Mord und Totschläg halber, und vornehmlich auch, weil mancher sein Gewehr und Pferd, ja sogar sein weniges Kommißbrot verspielte, das Spielen nicht allein wieder offentlich erlauben, sondern sogar diesen eigenen Platz dazu widmen mußte, damit die Hauptwacht bei der Hand wäre, die allem Unheil, so sich etwan ereignen möchte, vorkäme, welche doch nicht allezeit verhüten kann, daß nicht einer oder der ander auf dem Platz bleibt. Und weil das Spielen des leidigen Teufels eigene Invention ist und ihme nicht wenig einträgt, also hat er auch absonderliche Spielteufel geordnet, und in der Welt herumschwärmen, die sonst nichts zu tun haben, als die Menschen zum Spielen anzureizen; diesen ergeben sich unterschiedliche leichtfertige Gesellen durch gewisse Pakten und Bündnus, daß er sie gewinnen lasse; und wird man doch unter zehentausend Spielern selten einen reichen finden, sondern sie sind gewöhnlich im Gegenteil arm und dürftig, weil ihr Gewinn leicht geschätzet, und dahero gleich entweder wieder verspielet oder sonst liederlich verschwendet wird: Hiervon ist das allzu wahre, aber sehr erbärmliche Sprüchwort entsprungen, der Teufel verlasse keinen Spieler, er lasse sie aber blutarm werden; dann er raubet ihnen Gut, Mut und Ehr, und verläßt sie alsdann nicht mehr, bis er sie endlich auch gar (Gottes unendliche Barmherzigkeit komme ihm dann zuvor) um ihrer Seelen Seligkeit bringt. Ist aber ein Spieler von Natur eines so lustigen Humors, und so großmütig, daß er durch kein Unglück oder Verlust zur Melancholei, Unmut und andere hieraus entspringende schädliche Laster gebracht werden mag, so läßt ihn der arglistige böse Feind deswegen dapfer gewinnen, damit er ihn durch Verschwendung, Hoffart, Fressen, Saufen, Huren und Buben endlich ins Netz bringe.«

Ich verkreuzigte und versegnete mich, daß man unter einem christlichen Heer solche Sachen üben ließe, die der Teufel erfunden sollt haben, sonderlich weil augenscheinlich und handgreiflich soviel zeitliche und ewige Schäden und Nachteil daraus folgeten; aber mein Hofmeister sagte, das seie noch nichts was er mir erzählt hätte; wer alles Unheil beschreiben wollte, das aus dem Spielen entstünde, der nähme ihm eine ohnmügliche Sach vor, weil man sagt, der Wurf, wann er aus der Hand gangen, seie des Teufels; so sollte ich mir nichts anders einbilden, als daß mit jedem Würfel (wann er aus des Spielers Hand auf dem Mantel oder Tisch daherrolle) ein kleines Teufelgen daherlaufe, welches ihn regiere, und Augen geben lasse,

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